Der Huf des Teufels (German Edition)
bestellt.«
Simon und Sara lachten und nahmen am Tisch Platz. Shelly öffnete das Bier und die Weinflasche und kam zu ihnen. Sie stießen an.
»Auf dein neues Zuhause«, sagte Simon.
»Ja, auf den Kutscher-Hof«, meinte Shelly. Jeder nahm einen Schluck, und schon hüpfte Shelly wieder in die Küche.
»So, letztes Mal musste ich niedersächsische Genitalien probieren, jetzt gibt’s für euch texanisch-mexikanische …« Sie sprach nicht weiter, denn sie wartete auf die Assoziation der beiden und stellte die heiß dampfende Auflaufform auf den Tisch. Darin lagen drei zwanzig Zentimeter lange braunschwarze Würste in einer ebensolchen Soße. Simon und Sara verzogen das Gesicht.
»Das sieht ja aus, wie …«, begann Sara, und ihr Vater legte eine Hand auf ihren Arm.
»Sag’s nicht.«
»Wie scheiße«, beendete sie den Satz und lachte lauthals. »Ja, da staunt ihr! Bei uns nennt man das auch › turd plate‹ , aber das übersetze ich nicht für euch.«, meinte Shelly.
»Wie kann etwas, das so aussieht, nur so gut riechen?«, fragte Simon verzweifelt.
»Ihr müsst es probieren. Los, kommt schon.«
»Ich will erst wissen, was das ist.«
»Enchiladas.«
Sara grinste. »Ist das spanisch für Scheiße?«
»Ich tu euch was auf.« Shelly legte jedem eine Maisrolle auf den Teller und goss etwas Soße darüber. Simon schluckte.
»Ich glaub nicht, dass ich das essen kann.«
»Aaah, genau das habe ich auch gesagt, und ihr habt mich gezwungen, es zu essen. Auf geht’s!«
Sara und Simon schnitten sich jeder eine kleine Scheibe ab. Mit langen Zähnen steckten sie sich den ersten Bissen in den Mund. Langsam lösten sich ihre verkrampften Gesichter, und sie begannen, schneller zu kauen.
»Mmmh, für Scheiße schmeckt das gar nicht schlecht«, sagte Sara.
»Ist wirklich gut.«
»Na seht ihr. Ist vielleicht ein bisschen scharf, aber die Schokolade mildert es etwas ab.«
»Schokolade?«, fragte Simon erstaunt.
»Ja, da ist Schokolade in der Soße. Deshalb die Farbe.«
»Das ist Schokoladensoße?«
»Auch, ja.«
Simon schüttelte erneut den Kopf. »Bei euch scheint die Sonne wohl ’n bisschen zu viel. Das ist doch nicht normal.«
»Aber euch schmeckt’s doch.«
»Ja, aber … was ist eigentlich in dem Bier?«, fragte er und deutete auf seine Flasche.
»Wie sieht’s denn aus?«, fragte Shelly zurück, und wieder brachen sie in Gelächter aus.
»Dein Garten nimmt anscheinend auch langsam Gestalt an. Oppermann macht das ganz gut, oder?«
»Ja, er ist ein komischer Kerl, aber er hat was drauf. Der Stall wird auch bald gemacht, sodass im Sommer wohl alles fertig ist.«
»Bereust du deine Entscheidung schon? Niedersachsen ist schön, aber es ist doch ganz anders als Texas, oder nicht?«
»Im Vergleich zu Texas ist die Gegend ein Regenwald. Aber ich mag’s trotzdem. Ich mag das Grün und das Brot. Ihr habt wunderbares Brot. Und Bier. Bei euch gibt’s Bier, das älter ist als die USA . Ist das nicht unglaublich?«
Sieben
Leif und Lasse fuhren mit dem Rad durch den Wald und passierten das stillgelegte Bergwerk »Stockgrube«. Kaum hundert Meter weiter begann die Arbeitersiedlung, die hier in den dreißiger Jahren errichtet worden war. Barackenförmige längliche Reihenhäuser mit kleinen rechteckigen Vorgärten und größeren Gärten nach hinten raus. Peter wohnte am südlichen Ende. Bautechnisch war das Haus von Peter identisch mit den anderen Häusern, doch der Zustand hob sich deutlich vom Rest ab. Die Farbe und der Putz bröckelten ab, das Gras im Garten wuchs kniehoch, überall lagen alte, verrostete und kaputte Dinge herum. Stühle, Fahrradteile, Zaunpfähle, ein Bügelbrett, Wäschewannen, Blumentöpfe und Kinderspielzeug, das teilweise noch von ihm selbst stammte. Im hinteren Garten achtete Peter komischerweise mehr auf Ordnung. Hier wurde zumindest drei- oder viermal im Jahr der Rasen gemäht, und irgendwann einmal hatte er Blumenzwiebeln eingepflanzt, sodass jetzt im Frühling die ersten Tulpen und Krokusse zwischen den Tannen und den kleineren Büschen hervorlugten. Am hinteren Ende des Gartens stand eine kleine Laube, in der Peter alle möglichen Werkzeuge und Gartengeräte aufbewahrte. Der morsche Schuppen war so vollgestellt und die Regalbretter bogen sich dermaßen durch, dass man jedes Mal, wenn man etwas suchte, Angst haben musste, das Ganze würde über einem zusammenbrechen.
Auch drinnen sah es nicht viel anders aus. Im ganzen Haus lag Wäsche auf dem Boden, und in der Küche türmten sich
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