Der Huf des Teufels (German Edition)
um. Wo konnte sie sich hier verstecken? Der Raum war zu klein. Es gab keine Ecken oder Nischen. Unter das Bett! Aber dann wäre sie dort gefangen. Die Schritte waren jetzt in der oberen Etage angekommen. Sie hörte einen Schlüsselbund klirren. Wohin? Die Schritte wurden lauter, kamen näher. Sie hörte, wie die Sohlen leise auf dem Boden quietschten, hörte jedes Geräusch. Alle ihre Sinne schienen um ein Vielfaches verstärkt. Sie konnte sogar den Geruch der Schuhe auf der Kokosmatte wahrnehmen. Aber was half ihr das? Sie brauchte ein Versteck! Oder eine gute Ausrede, wenn sie einfach stehen blieb. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt. Sie musste hier raus. Jetzt! Ein Vogel zwitscherte draußen. Shelly blickte zum Fenster.
* * *
Lasse wollte aufschließen, doch das Schloss hakte. Er drückte kräftiger, bis er bemerkte, dass gar nicht abgeschlossen war. Das war ungewöhnlich. Er verriegelte immer die Tür hinter sich. Vor allem, wenn sie dreihunderttausend Euro im Zimmer versteckten. Wahrscheinlich war Leif als Letzter rausgegangen und hatte es vergessen. Als er die Klinke herunterdrückte, meinte er, drinnen das Windows-Geräusch zu hören. Er ging zu den Schreibtischen, doch die Computer waren aus. Er sah sich um. Alles schien so zu sein wie am Morgen, als sie das Zimmer verlassen hatten. Er blickte aus dem Fenster auf den Eingangsbereich, ob er irgendwelche fremden Räder oder Fahrzeuge entdecken konnte, aber auch da war alles normal. Sein Rad war das einzige im Unterstand. Er schüttelte den Kopf und setzte sich an seinen Schreibtisch. Fast alles lief nach Plan, nur diese Shelly kreuzte ihre Wege zu oft. Sie wusste, was gespielt wurde. Wie sie es erfahren hatte, konnte Lasse nur ahnen, doch das war auch völlig egal. So oder so stellte sie eine Gefahr dar, die beseitigt werden musste. Auf Leifs Einwände konnte er jetzt nicht hören. Shelly war das Haar in der Suppe. Er musste etwas gegen sie unternehmen. Er freute sich über den kleinen Hinweis, den er Jülich vorhin in dessen Büro ganz spontan gegeben hatte. Was konnte er mit dieser Lüge wohl noch anfangen? Er nahm einen Stift zur Hand und griff nach einem Stück Papier, um seine Ideen aufzuschreiben, da hörte er, wie das Fenster hinter ihm gegen den Rahmen schlug. Er drehte sich um. Hatten sie auch das Fenster offen stehen lassen?
Lasse erhob sich langsam. Leise schlich er zum Fenster. Wieder schlug es gegen den Rahmen. Er streckte die Hand aus, nahm den Griff und zog das Fenster auf. Fast rechnete er damit, zwei Hände am Sims zu erkennen, die sich dort festklammerten. Aber da war nichts. Er beugte sich vor und erkannte unten auf dem kleinen Weg, der am Haus vorbeiführte, einen alten Mann, der mit seinem Yorkshire Terrier spazieren ging. Die Glatze des Mannes, der mit zusammengekniffenen Augen und offenem Mund zu ihm nach oben starrte, glänzte poliert in der Frühlingssonne.
»Was glotzt’n so, Alter?«, rief Lasse hinunter.
Dem Mann entgleisten die Gesichtszüge. »Also, das ist doch wohl …«, beschwerte er sich lautstark und streckte seinen Zeigefinger drohend nach oben. »Euch sollte man mal so richtig den Hintern versohlen! Flegel wie du gehören tüchtig erzogen! Früher hätte man euch …« Lasse schnitt ihm das Wort ab, indem er einfach das Fenster zuknallte.
»Hast Glück, dass ich keine Zeit habe, mich um dich zu kümmern«, zischte er und stampfte zur Spüle. Er riss die Schranktür darunter auf, zog eine von zwei Flaschen Lenor heraus und drehte die Kappe ab. Er fingerte hinein und zog zwei Fünfzigeuroscheine heraus. Die Flasche war bis obenhin damit gefüllt. Das Versteck war Leifs Idee gewesen. Gar nicht schlecht für ihn, dachte Lasse und grinste.
* * *
Shelly klammerte sich krampfhaft an das Fallrohr neben Lasses Fenster. Sie war ein Stück nach oben geklettert, und da Lasse nur nach unten geschaut hatte, war sie unentdeckt geblieben. Fast. Der Alte mit seinem Yorkshire Terrier hatte sie gesehen, und nach seinem kleinen verbalen Schlagabtausch mit Lasse stand er immer noch da und glotzte Shelly an. Sie setzte die Stiefelspitzen auf die Schellen des Fallrohrs und kletterte wie an einer Palme daran hinab. Stöhnend und ächzend schaffte sie es bis nach unten. Endlich hatte sie wieder festen Boden unter den Füßen. Ihre Hände und Knie zitterten vor Anstrengung. Der Mann schaute ihr direkt ins Gesicht, ebenso wie sein Hund.
»Ich hab die Regenrinne untersucht. Alles bestens«, sagte Shelly und rieb sich die Hände an
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