Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
schleunigst aus Berndorfs Wohnung ausziehen muss. Plötzlich erscheint ihr das neue Appartement wie eine ferne Zuflucht. Wäre sie nur erst dort und könnte die Jalousien herunterlassen! Mit einem Male wären alle und alles ausgesperrt, Stuttgarter Schwadroneure und Münchner Galeristinnen, der totgeschlagene Schmierenjournalist, die Lügengeschichten um Liebe und Aktfotos und Waffenschmuggel, sie stünde unter der Dusche und spülte alles weg…
Aber nun darf sie erst einmal den Mülleimer durchsuchen. Sie wirft einen Blick auf die Schreibtischmappe. Vielleicht hat der Stift beim Schreiben durchgedrückt? Nichts. Der Name war irgendetwas mit Au…, ein Name, wie es ihn nur im Württembergischen gibt.
Sie horcht auf.
In die Wohnungstür wird ein Schlüssel gesteckt und umgedreht, ein gelbschwarzgrauer Hundekopf schiebt die Zimmertür auf, Felix kommt auf Tamar zu und wedelt mit seinem Stummelschwanz.
»Das freut mich, dass Sie noch da sind«, sagt Berndorf und tritt ins Zimmer. Er ist unrasiert, und die Linien in seinem Gesicht sind schärfer eingekerbt.
»Eigentlich wollte ich schon weg sein«, antwortet Tamar.
»Trinken Sie einen Tee mit mir? Ich brauche einen.«
»Nein«, antwortet Tamar, »wir trinken jetzt keinen Tee. Ich fahre in meine neue Wohnung, und Sie setzen sich jetzt hier an Ihren Schreibtisch und rufen Barbara an. Und erklären ihr, was Sie in den letzten Tagen getrieben haben. Und wer diese Dame Autenrieth ist.« Wieso weiß sie plötzlich den Namen? Sie steht auf. »Machen Sie’s gut.«
Diesmal passt es.
Tamar nimmt ihre beiden Taschen und steigt die Treppe hinab, hinaus nur und fort! Draußen fährt ihr Nieselregen ins Gesicht, vom Gehsteig aus sieht man gerade noch bis zum Bahndamm, der Lichtschein der Stadt dahinter ist vom Nebel verschluckt. Sie hat ihren Renault weiter oben an der Straße geparkt, gleich wird sie auf dem Weg sein in die Straße hinter den sieben mal siebenzig Koniferen. Ursprünglich hatte sie vor, zuerst noch im Bauernhaus vorbeizufahren und ein paar ihrer Bücher mitzunehmen und Bettzeug. Vielleicht auch etwas Geschirr und Besteck.
Aber jetzt ist es zu spät. Oder vielmehr nicht zu spät, sondern sie hat einfach keine Lust. Die Espressomaschine hatten wir doch in Italien gekauft, willst du sie behalten oder soll ich sie nehmen? Und was ist mit dem alten Schaukelstuhl? Hannah hatte ihn auf dem Flohmarkt gefunden, als Geschenk für sie. Sie kommt an einem BMW vorbei, der Fahrersitz ist halb nach hinten gekippt, ein Mann liegt darin, als ob er schlafe.
Tamar bleibt nicht stehen und sieht sich nicht nach dem Nummernschild um, es ist ein Münchner Kennzeichen und sie hat es sich gemerkt, wenn sie will, kann sie so etwas speichern.
Vielleicht sind die Letzten Gespräche deshalb so grauenvoll, weil es irgendwann auch um die Geschenke geht. Und weil von den Gefühlen, an die sie erinnern, nichts mehr gilt. Weil das Behalten so peinlich ist wie das Zurückgeben. Wenn du liebst, schenke nichts. Nichts, was bleibt.
Sie startet den Wagen, und fährt langsam die Straße hinab, an dem BMW vorbei, und durch die Unterführung nach rechts auf die Straße, die zum Blaubeurer Kreisel führt und weiter hinaus. Die erste Ampel, an die sie kommt, ist rot, ohne weiter nachzudenken, ordnet sie sich wieder rechts ein. Sie wird Hannah einen Brief schreiben und sie bitten, ihre Bücher und die restlichen Klamotten in Kartons zu packen.
Geht auch nicht. Ich will nicht, dass sie meine Sachen zusammensucht.
Die Ampel schaltet auf Grün, sie fährt an und biegt in die Frauenstraße ab und fährt über die Eisenbahnbrücke wieder auf die andere Seite der Bahnlinie. Auf einem kleinen Platz mit Altglas- und Papiercontainern steigt sie aus und zieht ihren Mantel an.
Am Samstag wird sie Zeit haben. Sie wird Hannah vorher anrufen, und dann hat sie in einer Viertelstunde ihre Sachen beieinander, für den Schaukelstuhl ist sowieso kein Platz, und dann wird die Viertelstunde vorbei sein und sie werden keine letzte Tasse Kaffee trinken, um Gottes willen nicht.
Vor ihr liegt das Gelände eines Autohändlers. Zwischen den Schuppen und der Bahnlinie führt ein Fußweg hindurch, der für Autos gesperrt ist. Sie geht den Weg entlang.
Was sie an Geschirr braucht, kann sie sich in den nächsten Tagen kaufen. Sie kommt an die Einmündung des Weges in die Straße, die zu dem Appartementhaus mit Berndorfs Wohnung führt. Der Nebel scheint noch dichter geworden zu sein. Die Stelle, wo ihr Renault
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