Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
untergebracht?«
»Wie kommen Sie darauf«, fragt Heilbronner, »dass das Dekanatsgebäude umgebaut werden soll? Da liegt auch überhaupt kein Beschluss vor.«
»Dass da kein Beschluss vorliegt, weiß ich auch«, sagt Rübsam. »Aber in den Kirchengemeinden kursiert das Gerücht, das Wohnhaus müsse umgebaut werden.«
Der Kirchenpfleger hebt verlegen beide Hände. »Davon weiß ich wirklich nichts.«
»Es heißt«, hakt Rübsam nach, »Frau Hartlaub habe darum gebeten. Oder es gefordert.«
»Ich finde«, sagt die Synodale Christa Fricke, »dass wir keine Zeit haben, uns über Gerüchte zu unterhalten. Ich finde es sogar ausgesprochen ungehörig.«
»Manchmal«, widerspricht Rübsam, »manchmal muss sogar über Gerüchte gesprochen werden. Es gehört sich geradezu.« »Ich weiß jetzt, worauf Sie anspielen«, sagt der Kirchenpfleger. »Da war tatsächlich ein Gespräch. Frau Hartlaub hatte gefragt, ob sich für das Dekanatsgebäude nicht der Einbau einer Solarheizung lohnen würde. Ich habe ihr gesagt, dass das wegen des in Ulm manchmal sehr strengen Denkmalschutzes wohl nicht möglich sei. Außerdem habe ich ihr erklärt, dass es wahrscheinlich sinnvoller sei, die Wärmedämmung im Haus zu verbessern, und wenn sie und ihr Mann einverstanden seien, würden wir das einmal durchrechnen.«
»Das war also ein einvernehmliches Gespräch? Die Frau Hartlaub hat auch nichts verlangt oder gefordert?«
»Nein, gefordert hat sie nichts«, antwortet Heilbronner widerstrebend. »Das war sicher als vernünftige Anregung gedacht, und in einer Aktennotiz habe ich das auch festgehalten. Ich meine, wir machen uns ja auch unsere Gedanken. Aber wenn von dieser Seite ein solcher Vorschlag kommt, hat das ein besonderes Gewicht.«
»Wie erklären Sie sich dann, dass in den Kirchengemeinden kolportiert wird, Frau Hartlaub habe einen Umbau verlangt?«
»Also dieser inquisitorische Ton geht zu weit«, protestiert die Synodale Fricke. »Sie treten hier auf wie ein Staatsanwalt. Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie Pfarrer sind?«
Ja, denkt Rübsam. Ich bin Pfarrer. Wir gehen brüderlich und schwesterlich miteinander um. Auch mit Verleumdern tun wir das. Sein Blick fällt auf das rotbackige Gesicht des Prälaten. Wildenrath hat seinen Blick aufgefangen. Unmerklich hebt er beide Hände über den Tisch und senkt sie wieder.
Nichts weiter tun. Maul halten. Keine Wirkung zeigen.
»Ja«, sagt Heilbronner, »wenn weiter keine Fragen sind …«
Vor ihnen kriecht ein Lastwagen. Wie lange schon? Verschwommen leuchten die roten Rücklichter durch den Nebel. Es ist eine fremde Landschaft geworden, durch die sie fahren, die Proportionen stimmen nicht mehr, die langen Strecken sind länger, als Berndorf sie kennt, die Kurven kommen schneller auf sie zu und sind enger, als sie es früher je waren. Aus dem Autoradio kommt SWR-1-Unterhaltungsmusik, gut abgelagerter Pop für die Vierzigjährigen, dazwischen Berichte aus der Region, in Stuttgart tagt der Beirat des dortigen Fußball-Bundesligisten, bei dem sich ein Schuldenberg von zwanzig Millionen aufgehäuft hat, man weiß nur nicht, sind es Mark oder bereits schon Euro …
»Ich glaube, Steinbronner hockt da drin«, sagt Tamar. »Er hat sich mit einem seiner Busenfreunde dort verabredet.«
»Da passt er aber gut dazu«, sagt Berndorf und stellt sich die VIPs aus dem Gottlieb-Daimler-Stadion vor. Bankmanager mit gesträubtem Schnauzbart und pelzgefüttertem Mantel. Mittelständische Unternehmer aus dem Remstal, denen der Nacken aus dem Brioni-Anzug quillt. Porsche fahrende Immobilienmakler und Anlageberater, mit flinken Augen auf der Suche nach einem neuen Gimpel, Fangnetze im jovialen Stuttgarter Schwäbisch ausbreitend. Mir könnet älles außer Hochdeutsch. Politprominenz aus der Region, der beim teuersten Italiener in Ludwigsburg die persönliche Flasche Chivas Regal über der Theke reserviert ist. Kurzberockte Damen, einmal zu oft geliftet und den Pappbecher Schampus in der Hand, der ein Becher zu viel ist… Zwanzig Millionen Miese. Einfach so verfumfeit. Und Steinbronner dabei.
Der Lastwagen vor ihnen setzt Blinker und biegt auf den Zubringer ab, der auf die Autobahn A 8 führt. Nun ist nur noch Nebel vor ihnen. Fahrbahnmarkierungen und Randpfosten sind kaum mehr zu erkennen.
»Sie wollen mir nicht erzählen, was Sie in Lauternbürg erwartet?«
»Es ist Neuböckh, den etwas erwartet«.
Tu nicht so wichtig. Sag ihr, was Sache ist.
»Ich halte es für möglich, dass ihn die
Weitere Kostenlose Bücher