Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
zugegeben, regelmäßig in einem Depot irgendwo in Brandenburg Kisten geladen zu haben. In einem abgelegenen Depot, das mit Stacheldraht gesichert war. Angeblich Kisten mit Ersatzteilen, angeblich für Hilfslieferungen in den Kosovo. In Lauternbürg kam noch andere Ladung dazu, vermutlich zur Tarnung. Und immer hatte er genug Schmiergeld dabei, damit sich niemand diese Kisten näher ansehen wollte. Wir sollten dieses Depot unter die Lupe nehmen…«
»Wir haben den Mord an Hollerbach aufzuklären«, unterbricht sie Steinbronner. »Wann geht das in Ihren Kopf?«
»Wenn Sie Adler wegen Mordes oder Totschlags an Hollerbach vor Gericht bringen wollen«, wendet Tamar ein,« dann wird man dort kaum mit der Auskunft zufrieden sein, es sei zwar richtig, dass in der Tatnacht noch zwei andere Männer auf dem Grundstück gewesen seien. Aber die hätten da irgendeine Geschichte im Auftrag der Amerikaner zu klären gehabt.« Ihre Stimme wird ganz sanft. »Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie müssen in den Zeugenstand und wollen das dem Gericht erzählen und die Reporter schreiben das mit…« »So weit sind wir noch nicht«, antwortet Steinbronner ruhig. »Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem Sie sich über mich lustig machen können. Wir sind noch immer bei der Frage, was Sie gestern Nacht getan haben, und warum. Erklären Sie mir jetzt endlich, was Sie dort eigentlich gewollt haben.«
»Ich sagte es Ihnen doch«, antwortet Tamar. »Es ging um Constantin Autenrieth. Wir wollten wissen, wo er geblieben ist. Er oder seine Leiche.«
»Dass Autenrieth tot ist, behauptet doch nur Berndorf.«
»Nein«, sagt Tamar. »Das behauptet nicht nur er. Neuböckh schweigt, das ist wahr, Meunier und Kadritzke haben die Aussage verweigert. Das ist bei Leuten, die nach Ihren Worten fast so etwas wie Kollegen sind, ein sehr kooperatives Verhalten, finden Sie nicht? Viel wichtiger ist aber, dass Cosima Autenrieth eine Aussage gemacht hat. Daraus geht hervor, dass sie sich von dem Gespräch in Lauternbürg Auskunft über den Verbleib ihres Vaters erhofft hat.« Sie lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und schlägt die Beine übereinander. »Sie können vielleicht Berndorfs Aussage ignorieren, aber nicht die der Tochter Autenrieth. Sie ist Rechtsanwältin, sie weiß, was sie tut, und mit ihrer Aussage hat sie zugleich Vermiss-tenanzeige erstattet.«
»Diese Anzeige kommt ein bisschen spät, finden Sie nicht?« »Das ist sicher richtig. Aber sie sagt, ihre Mutter sei von Meunier bedrängt worden, sie solle nichts unternehmen, weil Constantin Autenrieth in geheimdienstlichem Auftrag nach Südamerika gegangen sei…«
»Blühender Unsinn!«
»Die Mutter hat das aber auch Berndorf erzählt, wie aus seiner Aussage hervorgeht.«
»Dann ist es erst recht gelogen«, stellt Steinbronner fest. »Es ist völlig unglaubwürdig, dass da jemand vor zehn Jahren verschwunden sein soll, und die Familie hält bis heute still, weil der teure Verschwundene angeblich in geheimdienstlichem Auftrag unterwegs ist. Das ist doch oberfaul, das müssen doch sogar Sie zugeben!«
»Ich widerspreche Ihnen ja nicht«, antwortet Tamar. »Nur ändert das nichts daran, dass dieser Constantin Autenrieth ganz offenbar unauffindbar ist, vom Erdboden verschwunden. Nachdem inzwischen eine Vermisstenanzeige vorliegt, müssen wir ihr auch nachgehen und überprüfen, ob Autenrieth jemals in Buenos Aires angekommen ist…«
»Keine Sau in der ganzen argentinischen Pampa wird Ihnen sagen können, ob dieser Mensch vor zehn Jahren dort eingetroffen ist, und unter welchem Namen.«
»Gerade darum müssen wir in der Umgebung der Hütte suchen.«
»Und wonach bitte?«
»Nach seiner Leiche«, antwortet Tamar freundlich. »Seine Tochter hat das Jagdgewehr identifiziert, das Berndorf in der Hütte gefunden hat. Sie sagt, ihr Vater hätte die Waffe keinesfalls freiwillig dort zurückgelassen.«
Steinbronner schweigt. Er hat sich zurückgelehnt und betrachtet Tamar. Plötzlich scheint sein Blick anders als zuvor. Wachsamer. Beunruhigt.
Der Kater klingt ab, denkt Tamar.
»Dieses Gewehr«, sagt er schließlich, »zeigen Sie mir das doch mal.«
Der Tee dampft, aus den Lautsprechern kommt eine mozartsche Violin-Sonate und bringt das diesige Licht draußen vor dem Fenster zum Leuchten. Aber vielleicht ist es doch die Sonne und nicht Mozart, die den Nebel vertreibt.
Berndorf löffelt ein halbweiches Ei und liest das Tagblatt. Innerhalb der Regierungsfraktionen zeichnet sich noch
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