Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
ich dann matt.«
»Vermutlich sind Sie das.«
Rübsam legt den König um. Die Dame war mit dem Läufer gedeckt, er hätte mit dem Turm schlagen müssen, aber dann wäre das Matt durch den Springer gekommen. »Ich habe schon besser verloren.«
»Vielleicht sind Ihre Gedanken woanders.«
»Ist das so auffällig?«
Berndorf macht ein Handbewegung, als zeige er auf die Stellung und reiche zugleich die Frage zurück.
»Was unternimmt man eigentlich gegen multiple Verleumdung?« , fragt Rübsam. »Also gegen Lügen, die sich schneller vervielfältigen, als man sie widerlegen kann?«
»Was Sie beschreiben, deutet auf Mobbing hin«, meint Berndorf leichthin. »Leider bin ich da nicht kompetent. Wenn man bei der Polizei lernen würde, wie man damit umgeht, wären uns in den letzten Jahren einige Selbstmorde erspart geblieben. Mobbing gedeiht übrigens besonders in geschlossenen Gesellschaften mit einem besonderen Sendungsbewusstsein, wenn Sie mir diese Definition nicht übel nehmen… Das Opfer sind aber nicht Sie?«
»Nein«, sagt Rübsam. »Es ist eine Frau. Sie kennen Sie …« Er beginnt vom Vorabend zu erzählen. Unverändert sitzt Berndorf ihm gegenüber, leicht zurückgelehnt, die Haltung scheinbar entspannt. Aber das Gesicht hat sich verändert. Nichts mehr, das auf beiläufiges Geplauder hindeutet oder auf eine linkshändig dahingespielte Partie Schach.
»Es geht also um die Dame Hartlaub«, sagt Berndorf langsam. »Ich hätte es mir denken können.« Er blickt Rübsam in die Augen. »Sie haben ein persönliches Interesse an ihr?«
»Ich bitte Sie!«, sagt Rübsam. »Nein, wir sind mit dem Ehepaar Hartlaub noch nicht einmal befreundet, allenfalls näher bekannt…«
»Das schließt ein persönliches Interesse nicht aus.«
»Nein«, wiederholt Rübsam. »Wirklich nicht. Bei manchen Bekanntschaften ist von Anfang an klar, dass es für dieses gewisse persönliche Interesse absolut keinen Anknüpfungspunkt gibt. Sie bilden sozusagen einen Reinraum, frei von jeder erotischen Kontamination. Falls es das ist, wonach Sie gefragt haben.«
»So etwas kann man sich auch einbilden«, meint Berndorf. »Wann haben Sie Marielouise eigentlich kennen gelernt?« »Nach ihrer Haftentlassung«, antwortet Rübsam. »Sagte ich Ihnen das nicht?«
»Nein«, sagt Berndorf. »Aber ich weiß, dass sie in Haft war.« Irgendwer hatte es ihm erzählt. Die Puppenfrau war es.
»Marielouise Hartlaub kommt aus Thüringen«, fährt Rübsam fort. »Ende der Siebzigerjahre arbeitete sie in einer Dissidentengruppe mit, in einem Bürger- und Umweltbüro. Damals war in der Bundesrepublik Deponieraum knapp geworden, neue Müllverbrennungsöfen konnten nicht sofort gebaut worden, weil die Bürger sie nicht haben wollten und dagegen klagten, und so kam man darauf, sich die DDR als billige Müllkippe zu kaufen. In der Folge ist jede Menge Wohlstandsabfall nach Osten verfrachtet und auf schlecht oder gar nicht gesicherte DDR-Deponien gekippt worden. Als das Bürger- und Umweltbüro die Abwässer zu kartieren begann, hat die Stasi den Laden dichtgemacht und die Mitarbeiter eingebuchtet. Auch Marielouise saß mehrere Monate im Knast, ehe sie dann freigekauft wurde. Es wäre eine interessante Frage, ob sich die westdeutschen Müllunternehmer an den Kosten für den Freikauf beteiligt haben…«
»Die hätten dafür kein Geld gehabt«, antwortet Berndorf, »die mussten ihre örtlichen Politiker schmieren. Wann kam sie in den Westen?«
»Das muss 1981 oder 1982 gewesen sein. Sie wollte in Tübingen ihr Theologiestudium abschließen, und ich fürchte, sie ist nicht sehr glücklich gewesen. Das war ja damals die Zeit der Friedensbewegung und der Sitzblockaden, im Religionsunterricht wurden Friedenstauben gebastelt und gebetet, dass der liebe Gott den Amerikanern die Pershing-Raketen wegnehmen solle. Es ging um die großen Menschheitsfragen und -ängste, da gehörte es sich einfach nicht, dass da eine mit ihrer privaten Ost-Biographie daherkam und auch etwas sagen wollte. Sie war in einem Frauenknast bei Potsdam gewesen und hatte in der Anstaltswäscherei die dreckigen Unterhosen aus der Bonzensiedlung Wandlitz waschen müssen. Als sie uns einmal von den Arbeitsbedingungen dort erzählen wollte, ist ihr auf der Stelle eine unserer Friedensaktivistinnen dazwischengefahren und hat sie gefragt, ob sie vielleicht glaube, dass es die türkischen Arbeiterinnen in den Wäschereibetrieben bei uns lustiger hätten…«
Berndorf sagt nichts. Auch er erinnert
Weitere Kostenlose Bücher