Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Oberbürgermeisters hatte die Menschenmenge beim Empfang im Rathaus sie aneinander geschwemmt. »Sehr angenehm!« , hatte der Prälat gesagt, als sie sich bekannt gemacht hatten. »Wir sind ja sozusagen Kollegen, Sie befassen sich mit Sündern und wir mit der Sünde…« Und Berndorf hatte geantwortet, er hoffe nur, die Kirche habe eine deutlich höhere Erfolgsquote als die Polizei.
Die Besucher werden in ein Studierzimmer mit hohen Bücherwänden gebeten, für einen Tee ist es zu spät, nicht aber für einen gepflegten Rotwein, doch Berndorf bittet um ein Wasser. Irgendwann hat man sich gesetzt, durch das Fenster ist ein Garten zu ahnen und die Sicht auf das Neu-Ulmer Donau-Ufer oder die Bäume, die dort hochragen. Rübsam beginnt, den Grund ihres Besuches zu erklären.
Während Rübsam redet, beobachtet Berndorf den Prälaten. Unverkennbar nistet sich in dem Gesicht mit den roten Wangen und dem trotzig aufgeworfenen Mund ein Ausdruck tiefen Unbehagens, ja geradezu äußerster Missbilligung ein. Mit der Bitte um dieses Gespräch habe ich Rübsam keinen Gefallen getan, bei Gott nicht…
»… ich weiß, unser Anliegen muss auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, aber die Situation ist ungewöhnlich und verlangt ungewöhnliche Antworten.« Rübsam ist zu einem Ende gekommen. Der Vortrag, findet Berndorf, hätte etwas stringenter ausfallen können.
»Ungewöhnlich und befremdlich, sagen Sie…« Der Prälat lässt seinen Blick von Rübsam zu Berndorf und wieder zurück wandern. »Das sind Worte, die ich verstanden habe. Befremdlich vor allem, denn das ist Ihr Besuch in der Tat. Es tut mir Leid, aber offenbar sind meine Maßstäbe der Diskretion und der Vertraulichkeit Ihrer Generation nicht mehr zu vermitteln, anders kann ich es mir nicht erklären.«
»Auch für meine Generation gibt es verbindliche Normen«, antwortet Rübsam nicht ohne Schärfe. »Zum Beispiel, dass man Verleumdungen entgegentritt. Dass man es nicht zulässt, wenn jemand mit einem Netz von Lügen und Verdrehungen überzogen wird, bis er sich nicht mehr wehren kann.«
»Sie sind Theologe«, weist ihn der Prälat zurecht, »übertreiben Sie nicht ihr dramatisches Talent. Mich interessiert mehr, warum Sie eine sehr persönliche, sehr vertrauliche und private Mitteilung ungefragt an einen Dritten weitergeben.«
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagt Berndorf, »aber es geht hier nicht mehr um Diskretion und andere Wohlerzogenheiten. Es geht darum, dass jemand in Gefahr ist.«
Der Prälat betrachtet ihn aus großen Augen, das Gesicht zu einem Ausdruck abweisenden Erstaunens erstarrt.
So kommen wir nicht weiter, denkt Berndorf. »Nach der Wende hat sich eine Gruppe ehemaliger Stasi-Mitarbeiter mit Waffengeschäften versucht«, fährt er fort. »Dabei sind sie hereingelegt worden. Sehr begrüßenswert. Offenbar aber haben diese Leute jetzt eine Spur gefunden, die möglicherweise zu dem Geld führt, das sie als das ihre ansehen. Es gibt Hinweise, dass diese Spur etwas zu tun hat mit einem ihrer ehemaligen Einflussagenten. Einer Person, die in der kirchlichen Hierarchie platziert worden ist. Diese Person, aber auch Menschen aus ihrem Umfeld, sind in unmittelbarer Gefahr. Diese Leute, die ihr Geld zurückwollen, haben es eilig. Sie müssen das Geld finden, bevor die Umstellung auf den Euro kommt. Vor allem sind es Leute, die über Leichen gehen, wenn es sein muss.« Das sollte reichen, denkt Berndorf.
»Dieser Abend ersetzt mir drei Theaterbesuche«, bemerkt Wildenrath. »Waffenhandelnde Einflussagenten in der kirchlichen Hierarchie, sehr komisch. Schade, dass man bei uns keine Soutanen trägt, man könnte Kalaschnikows darunter verbergen.«
»Den Agenten, die sich in die Gottesdienste der Leipziger Nicolai-Kirche gedrängt haben, kam die politische Rolle der Kirche keineswegs lächerlich vor«, wirft Rübsam ein.
»Schade nur, dass die heutige Staatsmacht Ihnen diese Bedeutung nicht zumisst«, spottet Wildenrath. »Aber bitte!« Sein Blick richtet sich wieder auf Berndorf. »Wenn das alles so dramatisch ist – warum gehen Sie dann nicht zu Ihrem früheren Arbeitgeber, der Polizei, und veranlassen das Notwendige? Sie müssten da doch die besten Kontakte haben.« »Wenn Sie das wünschen«, sagt Berndorf, »und wenn Sie glauben, dass die Polizei in Jena Ihren Studienfreund diskreter einvernimmt, als Sie ihn befragen könnten…«
Wildenrath hebt den Kopf und betrachtet Berndorf aus zusammengekniffenen Augen. »Das riecht nach…« – er
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