Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
uns in den Genen. Nur wenn wir es selbst zugeschüttet und festgestampft haben, ist es aufgeräumt und kann nicht wieder raus, was immer es ist. Und für einen Mörder ist das ja noch viel wichtiger, also ich zum Beispiel hätte keine Ruhe, wenn ich nicht genau wüsste, der ist da unten gut verwahrt und kommt nicht mehr raus. Ein Wasserloch, ich bitte Sie! Das fällt trocken, oder das Forstamt legt einen Entwässerungsgraben …«
Leider kann Tamar den Phantasien des Kriminaldirektors Steinbronner nur mit halbem Ohr folgen, weil sie vor allem den Kaugummi loswerden muss.
Schon deshalb, weil sie jetzt weiß, woran sie dieser Menthol-Geschmack erinnert.
»Dabei ist es merkwürdig, wie viele von meinen Mördern ihre Arbeit nur lausig aufgeräumt haben. Ein bisschen Erde und Laub darüber gescharrt, oder einen Stein dran gebunden und in den Neckar geschmissen. So aus der Welt wäre das also gar nicht, wenn wir hier etwas fänden… Manchmal hab ich schon gedacht, die machen das so lausig, weil sie entdeckt werden wollen… Verstehen Sie, ich hab’ mit diesen Psycho-Gurus nix am Hut, aber irgendetwas ist in meinen Mördern gewesen, als ob sie sich selbst verraten wollten.«
Sie war 16 gewesen. Als ob die Tanzstunde nicht schon grauenvoll genug gewesen wäre, war sie regelmäßig von einem dicken, blonden, täppischen Jungen nach Hause begleitet worden, der ständig Menthol-Bonbons fraß, weil er glaubte, sie würden gegen Mundgeruch helfen. Irgendwann hatte er sie in der kleinen staubigen Anlage hinter der Bushaltestelle abgedrängt und ihr einen Zungenkuss verpasst.
Wahrscheinlich hatte sie nicht zickig sein wollen.
»Berndorf hat einmal einen solchen Fall gehabt, das war in seiner Mannheimer Zeit, bevor er den Einsatz gegen diesen Iren vergeigt hat … Ein Zahnarzt und Jäger, der seine Gehilfin erst geschwängert und dann umgebracht hat. Die Leiche hat er auf die Luderplätze verteilt… Als man ihm dahinter kam, ist es als großer Erfolg der Kollegen gefeiert worden, dabei war es von dem Zahnarzt doch nur eine Brunzdummheit, ehe er sich umdreht, hat ein streunender Hund oder ein Fuchs einen Knochen oder womöglich den Unterkiefer verzogen und sonstwohin verschleppt …«
Das schwarz schimmernde Wasser bewegt sich, inmitten von Luftblasen erscheint der Taucher an der Oberfläche und lässt sich an die Böschung hieven, und mit ihm kommt an die Oberfläche, was auch unter Schlamm und verfaultem Laub irgendwie nicht organisch aussieht, sondern rechteckig und mit etwas, was ein Griff sein könnte.
»Meine Fresse«, sagt Steinbronner, »das sieht ja aus wie…« Tamar reißt ein halb vertrocknetes Blatt von einem Strauch ab und entsorgt den Kaugummi.
»Da ist noch ein zweiter Koffer unten«, sagt die vom Mikrofon verzerrte Stimme des Tauchers, »und da drunter liegt etwas, was wir uns erst noch ansehen müssen.«
Das Haus der Begegnung, unter Einbeziehung von Turm und Chor der zerbombten Dreifaltigkeitskirche nach dem Krieg erbaut, liegt im Südosten des alten Ulmer Stadtgebiets, auf einer Anhöhe über der Donau, die durch die Adlerbastei zum Fluss hin abgesetzt ist. Rübsam parkt seinen Familienkombi auf dem Besucherparkplatz und blickt zu Berndorf.
»Kann Felix im Wagen bleiben? Der Prälat hat vor Hunden panische Angst.«
»Felix, gleich!«, sagt Berndorf. Es wird, denkt er, nicht schon wieder jemand eine Bombe legen.
Sie steigen aus und gehen über den Grünen Hof zu einem Fußweg, der am Dekanat vorbeiführt. Es ist der vordere Teil eines zweigeschossigen, eher bescheidenen Doppelhauses. Durch unverhängte Fenster im Obergeschoss fällt das Licht einer nackten Glühbirne nach draußen und wirft helle Rechtecke auf Weg und Rasen. Berndorf verlangsamt den Schritt. »Was ist?«
Berndorf schüttelt den Kopf. »Nichts.« Sie gehen den Weg weiter, bis Rübsam vor dem erleuchteten Eingang der zweiten Hälfte des Doppelhauses stehen bleibt. Er klingelt, fast sofort wird die Tür von einem hoch gewachsenen, rotbackigen, dunkel gekleideten Mann geöffnet.
»Auch der späte Gast soll willkommen sein«, sagt Prälat Wildenrath mit einer einladenden Geste. Die Besucher treten ein, Rübsam will Berndorf vorstellen…
»Wir kennen uns«, unterbricht ihn der Prälat, »wir haben schon einmal ein Glas Wein zusammen getrunken und dabei über die Sünde gesprochen, denken Sie nur!«
Berndorf erinnert sich. Es war während des Schwörmontags vor zwei oder drei Jahren gewesen, nach der Schwörrede des
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