Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
angenommen worden?«
»Ja«, antwortet Wildenrath. »Sie ist angenommen worden. Aber das wissen Sie doch. Und Sie wissen auch, wessen Visitenkarte dieser Doktortitel schmückt.«
Die beiden Männer sehen sich an.
»Ich dachte«, fragt Berndorf behutsam, »Ihrem Freund sei unbekannt geblieben, für wen er die Arbeit gefertigt hat?«
»Ist es auch. Aber ich habe mir erlaubt, mich selber kundig zu machen. Im Internet finden Sie die entsprechenden Verzeichnisse.«
»Und welchen Gebrauch werden Sie von diesem Wissen machen?«
»Keinen«, antwortet der Prälat. »Ich sagte Ihnen schon, wir sind nicht das Amtsgericht. Außerdem habe ich meinem Freunde versprechen müssen, seinen Bericht vertraulich zu behandeln.«
»Aber mir haben Sie Auskunft gegeben.«
»Sie haben mich dazu gezwungen. Wen Sie suchten, hatten Sie ja schon im Visier. So werden Sie jetzt jedenfalls nicht behaupten können, die Kirche hätte keine Auskunft gegeben.« Berndorf steht auf und bedankt sich.
»Und welchen Gebrauch werden denn Sie machen?«
»Sie werden lachen«, antwortet Berndorf. »Ich bin auch nicht das Amtsgericht.«
Marielouise Hartlaub sei mit ihrem Sohn in die Cafeteria gegangen. Das erfährt Berndorf von dem Mädchen, das an diesem Nachmittag keinen Comic liest, sondern eine Abhandlung über Astrophysik, und das auch kein Mädchen ist, sondern eine junge Frau mit einer bereits grauen Strähne im dunklen Haar.
Berndorf dankt und geht wieder durch die Krankenhausflure zurück und das Treppenhaus hinab. Durch die gläserne Außenfront wirft er einen Blick hinaus. Regen schlägt gegen die Front, die Tropfen laufen zu Rinnsalen zusammen und die Scheiben hinab.
Die Cafeteria ist voll besetzt, er sieht sich um, vorne im Foyer bemerkt er einen Trupp Männer in regennassen Mänteln mit merkwürdigen Koffern in den Händen.
»Kommen Sie uns besuchen?«, fragt eine Stimme neben ihm. Es ist Pascal, Berndorf nickt und sagt: »Hallo!«, und lässt sich zu einem Tisch führen, der hinter irgendwelchen Kübelpflanzen mit Immergrün versteckt scheint. Nein, sagt er, Felix, den Hund habe er nicht dabei, das geht nicht im Krankenhaus, habe er sich sagen lassen, aber das sei auch nicht weiter schlimm, »es geht jemand mit ihm spazieren.«
»Ihre Frau?«, fragt Pascal.
»So ungefähr.«
Wenn er genauer hinsehen würde, könnte Berndorf bemerken, dass Pascal das für eine merkwürdige Antwort hält. Aber in diesem Augenblick sind sie auch schon an dem Tisch angelangt.
Marielouise Hartlaub trägt Jeans, ein weites T-Shirt, Wollweste, die Jacke über die Schultern gehängt, denn der eine Arm ist noch immer geschient und in der Schlinge. Auf dem Tisch liegt ein Spiel mit Fragekarten, Trivial Pursuit, Berndorf wundert sich, dass es das noch gibt und nicht alle denkbaren Fragen schon längst von RTL für das Millionen-Quiz aufgekauft sind.
Kann man das mit jemand spielen, der eine Amnesie hat?
Marielouise Hartlaub betrachtet Berndorf aufmerksam, eher vorsichtig als abweisend.
»Vielleicht erinnern Sie sich, ich habe Sie vor zwei Tagen schon einmal besucht …« Blöder kannst du das bei Gott nicht sagen.
»Er hat dir das Buch von ›Alice im Wunderland‹ mitgebracht«, assistiert Pascal.
»Ja«, antwortet Marielouise bedächtig, »ich glaube, dass ich Sie schon kennen gelernt habe. Aber setzen Sie sich doch… Dieses Spiel ist uns sowieso schon langweilig geworden. Irgendwann sind sich diese Fragen alle gleich. Sie werden sich übrigens wundern, aber ich weiß, was Audrey Hepburn bei Tiffany bekommen hat, und ich weiß auch, dass der Genfer See größer ist als der Bodensee.«
»Aber du weißt nicht, wer das Siegtor bei der WM 1974 geschossen hat«, wirft Pascal ein.
»Nein«, sagt seine Mutter, »das weiß ich nicht, aber ich würde es in einem anderen Zustand als meinem jetzigen wohl auch nicht wissen. Merkwürdiger ist, dass ich Ihnen zwar glaube, dass Sie vor zwei Tagen hier gewesen sind, aber gewusst hätte ich es nicht… Dabei habe ich mich über ›Alice‹ wirklich gefreut. Ich weiß, dass ich es als Kind gelesen habe, und ich habe es jetzt wieder entdeckt. Es ist zauberhaft, weil es immer auch böse ist. Und deswegen hat es mir sogar geholfen, ein Stück meiner Erinnerung wieder zu finden …« Sie bricht ab und betrachtet nachdenklich ihren Sohn.
»Erzählen Sie es mir?«, schlägt Berndorf vor.
»Warum auch nicht?«, sagt sie schließlich. »Am Schluss von ›Alice‹ findet ein Gerichtsprozess statt, die
Weitere Kostenlose Bücher