Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
lang nicht getan.
»Ach!«, sagt Steinbronner, »diese Geschichte…«
»Wir hätten gerne von Ihnen gewusst«, ergreift Tamar das Wort, »ob Sie sich gestern Nachmittag in Zürich aufgehalten haben?«
Berndorf und Barbara tauschen einen Blick.
»Ja«, antwortet Berndorf, »haben wir. Ein privater Besuch. In einem Tagescafé beim Schauspielhaus habe ich ein Blumenkohlgratin gegessen. Ist das wichtig?«
»Berndorf«, sagt Steinbronner, »wir sind heute Morgen im Guten gekommen. Aber wir können auch anders, und dann verbringt ihr beide den Vormittag im Neuen Bau.«
»Vielleicht kommen wir besser miteinander zurecht, wenn Sie ihm zuerst erklären, worum es Ihnen geht«, sagt Barbara. »Bitte sehr«, antwortet Steinbronner. »Bei einer Schießerei in einem Café in Zürich ist gestern ein Mann verletzt worden. Sie beide sind als Zeugen benannt worden.«
»Und deswegen«, fragt Berndorf, »machst ausgerechnet du den Amtsboten?«
»Der angeschossene Mann ist ein gewisser Kadritzke, Egon Kadritzke«, antwortet Steinbronner. »Das weißt du doch. Mit diesem Mann hätten auch wir gerne gesprochen.«
»Und worüber?«
»Wir haben da ein paar Fragen in Zusammenhang mit den beiden Tötungsverbrechen in Lauternbürg.«
»Weiß man denn«, fragt Barbara, »wer da geschossen hat?« Steinbronner wendet sich ihr zu. »Ich glaube, gnädige Frau, Sie wissen darüber mehr als ich. Sehr viel mehr. Geschossen hat eine junge Frau. Es ist die Tochter dieses Constantin Autenrieth. Und von dieser jungen Frau gibt es eine merkwürdige Aussage … Am Tatort sind nämlich zwei Geldkoffer mit insgesamt 600000 Schweizer Franken gefunden worden. Sehen Sie« – Steinbronner beugt sich nach vorne und versucht, Barbaras Augen zu fixieren – »diese Cosima Autenrieth behauptet nun, dieses Geld gehöre ihr, aber Sie, Frau Stein, hätten es von der Bank geholt …«
»Interessant«, sagt Barbara. »Von welcher Bank denn?«
»Die Aussage der jungen Frau ist sehr unvollständig«, meint Steinbronner. »Eigentlich ist es überhaupt keine Aussage. Sie sagt nur, dass man bitte sehr Sie fragen solle.«
»Ist die junge Frau vielleicht ein wenig verwirrt?«
»Sicher. Gewiss doch. Das ist auch kein Wunder. Aber sie hat wohl darin Recht, dass Sie beide am Tatort gewesen sind. Ich nehme an, Sie sind nicht bloß am Nebentisch gesessen, einfach so?«
»Nein«, antwortet Barbara, »wir saßen mit diesen Leuten zusammen. Und bevor das Schießen losging, haben wir die Beine in die Hand genommen und uns davongemacht. Was sollten wir sonst tun? Ich bin eine schwache Frau, und Berndorf hat keine Lust, sich noch im Ruhestand totschießen zu lassen.«
Steinbronner hat es aufgegeben, Barbara ins Gesicht zu starren.
Er blickt auf den Schachtisch, aber die Stellung sagt ihm nichts.
»Sie wollen uns nicht sagen, was es mit diesen 600 000 Franken auf sich hat?«, fragt Tamar.
»Nein«, antwortet Barbara, »dazu sage ich nichts. Soviel ich weiß, ist sowohl den Zürcher Ermittlungsbehörden als auch der Staatsanwaltschaft Ulm per Eilboten Beweismaterial zugestellt worden. Beweismaterial, das ein sehr helles Licht auf die Umstände wirft, unter denen der Ministerialbeamte Autenrieth verschwunden ist. Wenn dieses Material mit dem gebotenen Ernst geprüft würde, dann hätten Sie, lieber Herr Kriminaldirektor Steinbronner, heute Morgen keine Zeit, mit uns Konversation zu machen.«
Sie steht auf. »Da Sie nun aber hier sind, muss ich daraus schließen, dass die Ermittlungsbehörden die Vorgänge nicht erhellen, sondern verdunkeln wollen. Sie können uns nun gerne mitnehmen. Eine Aussage bekommen Sie unter diesen Umständen von uns jedoch nicht.«
Auch die anderen stehen auf, als Letzter Steinbronner, mit einem betretenen, fast ratlosen Gesicht. »Das wird immer merkwürdiger«, sagt er schließlich, »ich weiß nichts von irgendwelchem Material …«
Irgendetwas jault. Tamar bittet um Entschuldigung und holt ihr Mobiltelefon aus der Jackentasche und meldet sich.
Sie hört zu. »Nehmen Sie das mal«, sagt sie dann und reicht das Telefon an Steinbronner weiter. »Es ist Staatsanwalt Desarts.«
»Sehr freundlich, dass Sie sich herbemüht haben«, sagt der Prälat Wildenrath und geleitet Berndorf in sein Studierzimmer und an den Besuchertisch. Das Licht einer Schreibtischlampe hellt den trüben Novembervormittag auf.
»Sie haben mich gebeten, mit meinem Jenenser Studienfreund zu sprechen«, beginnt Wildenrath, als sie Platz genommen haben. »Dass
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