Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
diesem Fall eben nicht«, sagt Berndorf. Er bleibt stehen und legt die Hand auf Hartlaubs Arm. »Sie kannten doch Constantin Autenrieth?«
Auch Hartlaub bleibt stehen. Dann wendet er sich langsam von Berndorf ab, so dass er seinen Arm aus der Berührung lösen kann. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen …«
»Autenrieth«, wiederholt Berndorf, »Constantin Autenrieth, erinnern Sie sich nicht? Der junge Mann, der die Pfadfindergruppe in Lauternbürg aufgebaut hat. Er war der Sohn des Landrats, mit dem Ihr Vater befreundet war…«
»Mir ist mein Vater in einer nicht ganz einfachen Erinnerung«, antwortet Hartlaub. »Sie ist nicht schmerzfrei, verstehen Sie? An Constantin Autenrieth erinnere ich mich aber selbstverständlich, auch wenn ich damals für seine Pfadfindergruppe zu jung war. Und selbstverständlich weiß ich von seinem schrecklichen Tod, es stand ja gerade ausführlich genug in der Zeitung. Aber warum fragen Sie mich hier danach?« Er wendet sich wieder zum Gehen.
»Sie erinnern sich sicher auch an das Haus in Lauternbürg, das über Nacht abgebrochen wurde?«, fragt Berndorf weiter und geht wieder neben ihm her. »Es war Constantin, nicht wahr, der die Idee dazu hatte?«
»Was fragen Sie mich das!« Hartlaubs Stimme klingt ärgerlich. »Aber wenn es denn heute noch eine Wichtigkeit hat: Ja, es war Constantin, der die Idee hatte, ich war damals ein neugieriger Junge und habe mehr mitbekommen, als die Älteren es sich hätten träumen lassen, auch mein Vater nicht…«
»Und was ist es, was sich Ihr Vater nicht hätte träumen lassen?«
Hartlaub antwortet nicht, sondern geht zu seinem Wagen, einem dunklen Passat und schaltet die Türen frei. »Hören Sie – ich habe eine wichtige Besprechung. Ich kann Sie in die Stadt mitnehmen, und dann können Sie mich während der Fahrt befragen. Mehr kann ich Ihnen jetzt leider nicht anbieten.«
Das sei sehr freundlich, meint Berndorf, und er nehme das Angebot gerne an. Sie steigen ein, Hartlaub startet den Wagen und stößt von seinem Parkplatz zurück und fährt los.
»Ich will Ihrer letzten Frage nicht ausweichen«, sagt er, als er auf die Straße zur Stadt einbiegt. »Als dieses Haus abgebrochen worden war, ist auch mein Vater, der Ortspfarrer, dazu von der Polizei befragt worden, von einem Inspektor, einem riesengroßen, knochigen Mann… Ich sehe noch, wie ich ihn zum Studierzimmer meines Vaters bringe und an der Tür bleibe und lausche, denken Sie nun von mir, was Sie wollen!«
»Und was hat Ihr Vater gesagt?«
»Er hat gelogen«, antwortet Guntram Hartlaub. »Mein Vater hat gelogen, so kläglich, wie ich zuvor noch nie jemanden habe lügen hören. Er wisse nichts von dem Abbruch, das Haus sei ja wohl auch unbewohnt und verfallen gewesen, sagte er. Dabei war an jenem Abend eine von den Zigeunerfrauen bei uns gewesen und hatte Hilfe holen wollen, aber mein Vater hatte sie fortgeschickt.«
Berndorf sagt nichts.
»Warum wollen Sie das eigentlich alles wissen?«, fragt Hartlaub plötzlich.
Berndorf antwortet nicht. »Sie haben Autenrieth in Bonn wiedergetroffen.« Er sagt es nicht als Frage, sondern als Feststellung.
Hartlaub muss abbremsen, weil vor ihm ein Radfahrer ist. Die Fahrbahn ist nass und spiegelt die Lichter der entgegenkommenden Autos wider.
»Ja«, sagt er, als er den Radfahrer überholen kann, »sicher habe ich das.«
»War er Ihnen behilflich gewesen, die Stelle bei der ständigen EKD-Vertretung zu erhalten?«
»Die Stelle ist ordnungsgemäß ausgeschrieben gewesen, und ich habe mich beworben«, antwortet Hartlaub. Seine Stimme ist beherrscht und höflich. »Ich wüsste nicht, welchen Einfluss Constantin hier hätte nehmen können.«
»Ihre Dissertation ist bei der Bonner Universität eingereicht worden?«
»Ja.«
»Sie entstand also neben Ihrer Tätigkeit in der Ständigen Vertretung. War das nicht eine zu hohe Arbeitsbelastung?«
»Als junger Mensch kann man einiges aushalten.« Sie kommen an den ersten Wohnblocks des Alten Eselsbergs vorbei. Die Straße ist leer, aus den Wohnungen schimmert das blaue Licht der Fernseher. »Sie wissen, dass dieses Gespräch an ein Verhör zu erinnern beginnt? Ich frage nicht, ob Sie dazu befugt sind.«
»Ich bin zu nichts befugt, und Sie müssen mir nicht antworten«, erwidert Berndorf. »Sie und Ihre Frau hatten mit der Familie Autenrieth näheren gesellschaftlichen Umgang?«
Hartlaub zögert, ehe er antwortet. »Ich weiß nicht, ob man das so nennen kann. Ich übernahm ab und zu
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