Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
nicht damit umgehen…« Cosimas Stimme ist atemlos und franst aus wie ein zum Zerreißen gespanntes Seil. »Mein Vater hat es mir beigebracht. Und Sie bleiben hier. Beide. Bleiben Sie stehen…«
Kadritzke lässt Koffer und Helm fallen und dreht sich um, den rechten Arm angewinkelt. Cosima springt zurück, die Pistolenmündung kehrt zitternd zu Kadritzke zurück und rastet auf ihn ein, groß genug ist Kadritzkes Brustkasten, da ist nichts zu verfehlen, denkt Berndorf und schubst Barbara auf den Beifahrersitz und wirft sich selbst in den Fond, den Hund mit sich zerrend.
Paco haut den Gang rein und startet, dass die Reifen aufkreischen, und weil vorne die Ampel gerade auf Gelb schaltet, schießt der Ford auf der Gegenfahrbahn an der Schlange der wartenden Autos vorbei und schert erst ganz vorne wieder ein, knapp vorbei an der Blechschnauze des ersten entgegenkommenden Wagens.
An einem der Autos hinter ihnen platzt ein Reifen. Falls es ein platzender Reifen ist, der diesen trockenen, scharfen Knall macht.
»Ins Hotel?«, fragt Paco.
»Auf die Autobahn«, sagt Barbara.
Samstag, 17. November 2001
Über dem Münster und der Stadt und dem oberschwäbischen Land liegt ein grauer Wolkenteppich, aber ganz im Süden hat ihn der Föhn aufgerollt und gibt den Blick frei auf das Zackenband der Alpen. Die Luft ist frisch und vertreibt den Anflug von Kopfweh, den Berndorf dem Wetterwechsel zuschreibt oder der Nacht, die wieder eine kurze gewesen ist. Erst gegen Mitternacht hatte Paco sie vor Berndorfs Wohnung abgesetzt.
Und man geht dann auch nicht so einfach schlafen und dreht sich um und schnarcht sich eins. So geht es, Gott sei Dank, doch noch nicht.
Felix läuft ihm voran und weiß schon im Voraus, welche Stellen er beschnüffeln und markieren muss.
Ein Wagen hält neben Berndorf. Für einen Augenblick erstarrt er. Aber es ist nur der rostige Kombi des Pfarrers. Johannes Rübsam kurbelt das Fenster herunter und ruft etwas heraus. Berndorf versteht es nicht und muss sich zum Autofenster vorbeugen:
»Wir haben Sie gestern gesucht. Unser Prälat will mit Ihnen reden.«
Berndorf dankt, der Kombi stößt eine Qualmwolke aus und rollt weiter.
Eigentlich habe ich meinen Job getan, denkt Berndorf. Davon abgesehen, dass es gar nicht meiner war. Er schreitet zügig aus, bis er zu der Hangstraße kommt, denn da muss er seines linken Beines wegen langsamer gehen. Er freut sich auf seine Wohnung und auf Barbara, die noch warm und schlaftrunken in seinem Bett liegen wird.
Den Daimler, der etwas oberhalb des Blocks geparkt ist, nimmt er erst wahr, als er fast schon daran vorbei ist.
Wer weiß, wie bestimmte Dienstkarossen aussehen, erkennt sie sofort. Sie sind nicht anders als andere Daimler. Es gibt kein besonderes Zubehör. Und doch riechen sie nach Besoldungsgruppe B wie ein Rohköstler nach Knoblauch.
Er geht weiter, die Treppe hoch zu seiner Wohnung, schließt die Tür auf. Keine schlaftrunkene Barbara im Bett, von irgendwoher dringt Smalltalk. Berndorf hängt Trenchcoat und Hundeleine auf, Felix stößt mit der Schnauze die Tür zum Wohnzimmer auf, weil er wissen will, was für ein Besuch da gekommen ist. Berndorf folgt und bleibt stehen, weil in seinem eigenen Sessel der Kriminaldirektor Steinbronner sitzt und Tamar ihm gegenüber auf der Couch.
Berndorf nickt Tamar zu und wechselt einen kurzen Blick mit Barbara, die doch schon irgendwie in das Kleid aus braunem Cashmere gekommen ist.
»Das ist gescheit, dass ihr nicht angerufen habt«, sagt er dann. »Ich hätte euch nicht eingeladen. Was wollt ihr?«
»So ist er immer«, sagt Steinbronner anklagend zu Barbara. »Hast du dich eigentlich vorgestellt?«, fragt Berndorf.
»Das hat er«, sagt Barbara, »und ich habe ihm auch schon gesagt, dass wir uns schon einmal begegnet sind… Aber setz dich doch. Es spricht sich dann leichter.«
Berndorf nimmt einen Hocker und setzt sich dann an den Tisch. Wieso steht Weiß plötzlich auf Gewinn? Keres hat doch verloren.
»Ja, das hat mich überrascht«, sagt Steinbronner, an Barbara gewandt, »Sie müssen schon entschuldigen, ich habe sonst ein gutes Gedächtnis, und Ihr Gesicht wäre mir sicher …«
»Lass das Gesülze«, unterbricht ihn Berndorf. »Es war auf einer Demonstration in Heidelberg, und du hättest ihr den Schädel eingeschlagen, nur hab ich dir vorher den Arm ausgekugelt.« Irgendwer hat die Stellung verschoben, ich muss es von Anfang an nachspielen. Später. Morgen. Wieso duze ich den? Das hab ich 30 Jahre
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