Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
gestört hat. In der Redaktion wurde er schon der Jäger des versenkten Schatzes genannt… Nein, wir wissen nicht, was er in der Mache hatte. Aber irgendetwas war es.« Er wirft einen scheuen Blick auf Dompfaff. »Er hat sich aus dem Archiv einen von den ganz frühen Ordnern herausgesucht, Lauternbürg in den Fünfziger- und Sechzigerjahren.«
Ob man den Ordner einsehen könne, will Englin wissen.
Noch einmal ein Blick auf Dompfaff. »Leider nein«, sagt Frentzel dann. »Obwohl es strikt untersagt ist, hat Hollerbach den Ordner mitgenommen …«
Mit Nachdruck erklärt Dompfaff, dass er das nicht verstehen könne. Überhaupt nicht.
»Wir haben es erst vor zwei Stunden entdeckt«, fährt Frentzel fort.« Als Berndorf hier war und danach gefragt hat…«
Kuttler versenkt sich in den Terminkalender.
»Wer bitte?« Englins Stimme wird knapp vor dem Schreien abgefangen.
»Berndorf«, wiederholt Frentzel, »Ihr früherer Leiter des Dezernats I, Kapitalverbrechen und Brandstiftungen, im vergangenen Jahr ist er in Pension gegangen, vielleicht erinnern Sie sich …«
»Kollege Frentzel«, warnend erhebt sich die Stimme des Chefredakteurs, »wir sind hier nicht zum Scherzen da.«
»Entschuldigung«, sagt Frentzel, »aber darum kam es mir gleich merkwürdig vor, dass die Sache vertraulich bleiben soll.«
Kuttler fragt, ob es noch eine andere Möglichkeit gebe, die Artikel über Lauternbürg aus jenen Jahren nachzulesen.
»Sicher«, antwortet Frentzel, »Sie müssten halt die ganzen Zeitungsbände aus dem Archiv durchsehen. Das ist auch das, was Berndorf gemacht hat.«
»Sehr schön«, sagt Englin. »Was Berndorf auch schon gemacht hat. Warum schließe ich nicht eigentlich gleich mein Dezernat I und lasse außer Haus arbeiten?«
Die Frage bleibt unbeantwortet. Frentzel begleitet Kuttler ins Archiv, wo der Archivar sich anhört, was Kuttler will, und freundlich antwortet, dass das kein Problem sei, denn der Herr mit dem Boxer habe sich bereits einige Artikel aus den Jahren 1961 und 1962 herausgesucht und Kopien davon machen lassen. Es seien Artikel über Lauternbürg gewesen, und weil eben dieser Ordner nun offenbar verschwunden sei, habe er – der Archivar – sich selbst auch Abzüge gemacht.
Er holt mehrere Kopien, eine davon ist die Ablichtung einer Zeitungsmeldung vom Oktober 1961 über den Abbruch eines leer stehenden Hauses, eine andere die eines längeren Korrespondentenberichts vom Januar 1962. Auf Kuttlers Bitte sucht er auch Hollerbachs Artikel über den Posaunenchor heraus.
»Wenn Sie noch Fragen haben«, sagt Frentzel, »finden Sie mich in der Landredaktion.« Sie stehen in einem Kabuff neben der Telefonzentrale, Kuttler nickt und findet einen Stuhl und setzt sich und überfliegt zunächst den Zweispalter über den Posaunenchor… Dann schüttelt er den Kopf. Zu absurd. Aber warum eigentlich? Morde sind absurd. Töten ist ein Verbrechen, das jede Vernunft außer Kraft setzt.
Woher weißt du das?
Das weiß ich nicht, woher ich das weiß. Aber dass wegen dieser Geschichte da jemand umgebracht worden sein soll, ist des Absurden doch zu viel.
Er greift zu der Kopie des Artikels von 1962 und beginnt zu lesen.
MdL Schafkreutz spricht von Hetzkampagne gegen Lauternbürg
ULM/LAUTERNBÜRG • Im Lautertal ist die Welt nicht mehr in Ordnung, seit die Staatsanwaltschaft, unterstützt von Kommunalpolitikern aus dem Landkreis Ulm, sich nach Meinung der Bewohner von Lauternbürg in eine üble Kampagne gegen ihre Gemeinde hat einspannen lassen. Doch der Landtagsabgeordnete Silvester Schafkreutz (Staatspartei) will die Vorgänge jetzt im Landtag zur Sprache bringen.
Der Anlaß ist eher geringfügig. Im Oktober ist ein verwahrlostes und leerstehendes Häuschen am Ortsrand von Lauternbürg im Rahmen einer technischen Übung der Ortsfeuerwehr abgebrochen worden, weil Einsturzgefahr bestand. Außerdem hatten die Nachbarn über eine Rattenplage geklagt, die von dem Häuschen ausging.
Der Bauschutt wurde abtransportiert, der Keller zugeschüttet und der gesamte Platz verkehrssicher gemacht. »Das war ein Schandfleck, und die Leute in Lauternbürg haben ihn beseitigt«, sagt Schafkreutz.
Dennoch erhob der Eigentümer des Häuschens alsbald schwere Vorwürfe. Das Häuschen sei weder verwahrlost noch einsturzgefährdet gewesen, und man habe es nur deshalb abgebrochen, um die vorgesehenen Mieter am bevorstehenden Einzug zu hindern. Bei diesem Eigentümer handelt es sich um die recht wohlhabende Gemeinde
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