Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
ist. Meine Amtsbrüder und -schwestern bestehen auf dem Stadthaus, das ist ja wirklich ein sehr gelungener Bau, eine zeitgenössische Entsprechung zum Münster, spielerisch, elegant, ganz wunderbar…«
Rübsam kommt zu ihnen und bleibt stehen. Hartlaub hebt ganz leicht die linke Hand, als bitte er um einen Augenblick Geduld. »Sehen Sie. Als wir darüber gesprochen haben, ist mir das Seminar in Shaba eingefallen. Die Unterrichtsräume im ehemaligen Werksschuppen. Die kargen Appartements. In der Kirche hatten die Katanga-Gendarmen früher ihre Lastwagen gewartet. Nichts davon ist spielerisch, nichts elegant. Aber es ist Kirche. Und was immer wir, hier in Württemberg, heute sind – wir werden sehr bald eine arme Kirche sein. Wir gehören nicht in das von Stararchitekten aus New York oder Chicago geschaffene Ambiente. Dieses Evangelische Gemeindehaus dagegen, mit seinen Holzstühlen und seinen etwas altertümlichen Sanitäreinrichtungen, das kann und darf uns genügen. Wenn es das nämlich nicht tut, gehen wir schweren Zeiten entgegen.« Er lässt die Hand wieder sinken. »Können Sie das verstehen?«
Berndorf hat den Kopf gesenkt. Was will dieser Mensch von dir? Wie zufällig bleibt sein Blick an den Schuhen des neuen Dekans hängen. Es sind elegante italienische Schuhe, so gepflegt, dass der Regen von ihnen abgeperlt ist.
»Ich überlege gerade«, sagt er, »wie sich wohl ihr Amtsbruder aus dem kongolesischen Seminar entscheiden würde. Wenn er frei wählen dürfte.«
»Da besteht ja wohl kein Zweifel«, fällt Rübsam ein. »Er würde das Stadthaus nehmen. Freundlich, demütig, aber entschieden würde er das tun.«
»Man soll nämlich«, sekundiert Marielouise Hartlaub, »mit der Armut nicht kokettieren, vor allem nicht mit der von anderen Leuten.«
Hartlaub hebt beide Hände zum Zeichen, dass er aufgibt. Noch keine gute Tat heute.
Chefredakteur Dompfaff kommt aus der Nachmittagskonferenz und begrüßt Kuttler und den Kriminalrat Englin, natürlich nicht in dieser Reihenfolge, sondern – mit der herzlichen Vertrautheit von Männern, die beide ein schweres Amt ausüben – zuerst den Kriminalrat und dann den Herrn Kuttler, den er noch nicht kennt. Das sei aber eine sehr schöne Gelegenheit, sagt er dann, »ich wollte den Herren von der Polizei ohnehin sagen, dass wir uns sehr gut bei Ihnen aufgehoben fühlen. Sie wissen ja, unsere Veranstaltung gestern Abend im Stadthaus … Wir hatten da einen sehr prominenten Gast, das zieht ja leider heutzutage immer auch Störer an, aber Ihre Beamten haben im richtigen Augenblick zugegriffen.«
Das hört unser Kriminalrat aber gern, denkt sich Kuttler. Man setzt sich, vom Fenster des Dompfaff’schen Büros aus sieht man die Bäume des Alten Friedhofs, »Aber so gerne ich Ihnen das sage«, fährt Dompfaff artig fort, »so muss ich doch fürchten, Sie sind nicht deswegen zu mir gekommen.«
»Leider ist das so«, meint Englin, »Sie treffen den Nagel auf den Kopf! Ganz wie in Ihren Kommentaren…« Dann kommt Englin doch noch auf den bedauernswerten Todesfall des Herrn Hollerbach zu sprechen, »der ja ein Mitarbeiter von Ihnen gewesen ist. Leider haben unsere Ermittlungen unerwartete neue Fakten zu Tage gebracht…« Schließlich teilt er mit, was sich aus der Obduktion ergeben hat. »Wir müssen also von einem gezielten, tödlichen Schlag ausgehen, ein außerordentlich beunruhigendes Täterprofil, wobei ich Sie aus ermittlungstaktischen Gründen bitten möchte, diese neuen Erkenntnisse vorerst vertraulich zu behandeln…«
Dompfaff versichert, dass sich das »Tagblatt« selbstverständlich an die von der Polizei gewünschte Sprachregelung halten werde und fragt, ob er sonst behilflich sein könne. Bevor Englin antworten kann, schlägt das Telefon an, Dompfaff nimmt etwas ärgerlich den Hörer ab, dann hört er doch kurz zu.
»Das habe ich Ihnen doch gleich gesagt«, sagt er schließlich, »dass die Berliner da nichts herausfinden werden. Das kommt davon, dass keiner der Kollegen beim Bund gewesen ist, Sie ja auch nicht! Also Sie rufen jetzt beim Zweiten Korps an, das sitzt hier in Ulm, das sind ganz normale Leute, die kann man befragen und die können Ihnen auch sagen, ob diese Blecheimer aus Bundeswehrbeständen stammen oder nicht doch aus sowjetischer Produktion.«
Er legt den Hörer auf und kommt mit einer entschuldigenden Geste an den Tisch zurück. »Wenn irgendwo Unheil ausbricht – immer sind wir Deutsche es, die schuld sein sollen.« Dann
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