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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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antwortet Ringspiel. »Ich bring Ihnen heute Abend einen Ausdruck.«
    Inzwischen hat sich der Wald gelichtet, auf der Hochebene vor ihnen breitet sich Wacholderheide aus.
    »Den Hund können Sie jetzt von der Leine lassen«, sagt Ringspiel. »Er wildert ja nicht.«
    Berndorf bleibt stehen, bückt sich und löst die Leine.
    Felix nutzt die unerwartete Freiheit, ein paar Schritte vorauszulaufen und an einem Wacholderbusch das Bein zu heben. »Das ist doch der Hund, der Jonas gehört hat?«, fragt Ringspiel.
    Berndorf runzelt die Stirn. »Sie haben Seiffert gekannt?«, fragt er zurück. Das ist Antwort genug, findet er.
    »Den haben viele gekannt.«
    Das mag wahr sein, denkt Berndorf. Wieder kehrt Schweigen ein.
    Sie kommen zu einer Weggabel, an der ein Pfad von dem ausgeschilderten Wanderweg abweicht. Felix geht zu dem Pfad und bleibt dann stehen und sieht sich wartend um.
    »Der Weg da führt nach Wieshülen«, sagt Ringspiel. »Jonas ist oft hier gewesen.«
    Berndorf überlegt, ob er Felix jetzt wieder anleinen muss. Aber er lässt es darauf ankommen. »Felix, hier«, befiehlt er, und zögernd, widerstrebend gehorcht der Boxer und folgt ihm auf den Wanderweg und verlässt den Pfad, der ihn in zwei oder drei Stunden nach Wieshülen bringen würde.
    »Er hat sich schon ganz gut an Sie gewöhnt«, bemerkt Ringspiel.
    »Wir geben uns beide Mühe«, antwortet Berndorf.
    »Ich glaub ja sonst nicht, was im ›Tagblatt‹ steht«, meint Ringspiel. »Schon gar nicht, wenn es unser Eugen geschrieben hat. Aber als ich Sie mit dem Hund gesehen hab, wusst’ ich gleich Bescheid.«
    Berndorf sagt nichts. Bescheid worüber? »Auf der Beerdigung waren Sie nicht?«, fragt er schließlich. »Sie sagten ja, Sie hätten ihn gekannt.«
    »Hab ich das gesagt?«, fragt Ringspiel zurück. »Zwischen uns und dem Jonas war es schwierig. Es ist eine alte Geschichte.« Mit dem Thema hast jetzt du angefangen, denkt Berndorf. »Das war Ihr Vater, der damals Schultes war?«
    Ringspiel wirft ihm einen Blick zu, den Berndorf nicht so recht deuten kann.
    »Also doch«, sagt er dann. »Ich hab’s mir gleich gedacht, dass das nicht wahr ist.«
    Berndorf wartet. Aber es kommt keine weitere Erklärung. »Jetzt kann ich Ihnen grad nicht folgen«, sagt er dann.
    »Dass Sie pensioniert sein sollen«, sagt Ringspiel, »das hab ich nicht geglaubt. Und Sie sind zu uns gekommen, weil Sie glauben, dass der Tod von dem armen Eugen Hollerbach mit der Geschichte von damals zu tun hat. Es ist uns ja recht, dass die Polizei hinter der Sache her ist. Solange Sie den Mörder nicht haben, ist keine Ruhe im Dorf. Das tut doch nicht gut, wenn kein Fremder hierher kommen kann, ohne dass die Leute über ihn reden und die Nummer vom Auto aufschreiben. Aber Sie meinen ja, dass es einer von hier war …«
    »Ich bin zwar wirklich pensioniert«, antwortet Berndorf, »aber wenn Sie es mir nicht glauben, kann ich’s auch nicht ändern.« Was sonst soll er auch sagen? Außerdem beginnt er sein Bein zu spüren, noch keinen wirklichen Schmerz, aber ein Ziehen, das bis in die Hüfte hinauf sticht.
    »Hat man denn im Dorf gewusst«, fragt Berndorf schließlich, »dass der Hollerbach diese Geschichte von damals hat ausgraben wollen?«
    Ringspiel schüttelt nur den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Das ist auch keine von den Fragen, mit denen Sie weiterkommen.« Er bleibt vor einem Ameisenhaufen stehen, der halb unter einem Wacholderstrauch verborgen ist.
    »Wenn jetzt Sommer wäre«, sagt er dann, »könnte ich einen Stein nehmen und hier hineinwerfen. Einen so schweren Stein, dass jeder meint, die Ameisen werden den niemals wegschaffen.« Er bückt sich, nimmt einen Stein auf und wägt ihn in der Hand. »Trotzdem sieht nach einer Woche keiner mehr etwas von dem Stein. Aber auch nichts davon, was er angerichtet hat.« Er wirft den Stein weg und geht langsam weiter. »Und wie es ausgeht, weiß auch keiner. Vielleicht kommen die Ameisen nicht über den nächsten Winter, weil sie durchs Aufräumen zu viel Kraft verloren haben. Vielleicht geben sie den Bau auch auf, weil es ihnen hier zu gefährlich geworden ist. Wer weiß das schon?«
    Ein Naturfilosof, denkt Berndorf. »In dieser Geschichte werden gerne Vergleiche bemüht«, sagt er dann. »Der Herr Müllermeister Schafkreutz hat im Landtag sogar auf die Bibel zurückgegriffen. Das sollte man dort nicht tun. Sie verweisen mich jetzt auf Ameisen. Dabei ist es eine Geschichte, die unter Menschen spielt. Ihre Lauternbürger Ameisen sind

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