Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Planenverdeck ist geschlossen.
Neuböckh gibt Tamar die Schlüssel, sie schließt auf und klettert in die Fahrerkabine. Der Wagen ist auf Reino Rosen zugelassen. Vom Armaturenbrett baumelt die gerahmte Fotografie eines Mädchens, dem man noch keine zwei blaue Augen geschlagen hat, in der Ablage über der Schlafkoje liegt eine Mandoline, als sie sie herunterhebt, kommt darunter ein Stapel Pornohefte zum Vorschein. In den Heften findet sich sogar ein wenig Text, den Tamar für Serbisch hält. Sie sucht weiter. Auf dem Beifahrersitz ein Straßenatlas, weitere Landkarten stecken in der Seitentasche auf der Fahrerseite, sie holt eine heraus, es ist eine Karte der Provinz Kosovo-Metohija. Neuböckh hat inzwischen die hintere Bordwand heruntergeklappt und die Plane zur Seite geschlagen, so dass sich Kuttler im Laderaum umsehen kann. Der Laderaum ist voll gestellt mit Holzkisten, dazwischen sind die meterhohen Reifen von Traktoren geschoben und festgezurrt.
»Hauptsächlich Ersatzteile«, erklärt Neuböckh, der sich nach Kuttler in den Laderaum geschwungen hat. »Die Leute sollen in Stand gesetzt werden, sich selbst zu helfen. Wenn wir denen komplettes Gerät vors Haus stellen, machen wir nur den Landhandel da unten kaputt.«
»Was für Ersatzteile?«, will Kuttler wissen.
»Motoren«, antwortet Neuböckh, »Getriebe, Kupplungen, Messerstangen für Mähmaschinen, Pflugscharen …«
Kuttler wirft einen Blick auf Neuböckh. Warum haben diese hageren Leute so gerne einen sarkastischen Zug um den Mund? So, als ob nur sie wüssten, dass sowieso alles den Würmern gehört.
»Sie haben hier doch die Jagd?«, fragt er plötzlich.
»Ja. Warum fragen Sie?«
»Ich hab gehört, der Herr Hollerbach hat nach irgendwelchem vergrabenen Zeug aus dem Krieg gesucht. Ist das wahr?«
»Nun kommen Sie auch noch mit diesem Nazi-Scheiß daher!«, antwortet Neuböckh unwillig. »Beim Zusammenbruch war hier eine Kolonne von SS-Leuten vorbeigekommen, und seither heißt es, sie hätten weiß Wunder was im Tal vergraben. Aber sie haben nur ihre Waffen und Abzeichen in die Tümpel geschmissen. Wer sich auskennt, weiß das. Nur der Eugen, also der Herr Hollerbach, hat vor ein paar Jahren damit angefangen, dort herumzustochern. Aber die Tümpel sind geschützt, inzwischen gibt es sogar Molche dort, und ich hab ihm gesagt, dass er es bleiben lassen soll.«
»Und Sie haben es ihm so gesagt, dass er wirklich die Finger davon gelassen hat?«
»Wenn ich etwas sag, dann nur einmal«, antwortet Neuböckh. »Mehr braucht es nicht.«
Kuttler nickt. Er sieht, dass Tamar vor der heruntergelassenen Bordwand steht. Sie tauschen einen Blick.
Eigentlich sollten wir diesen verdammten Lastzug sicherstellen und filzen, sagt Tamars Blick. Aber es wäre nicht klug.
Nein, denkt Kuttler, es wäre nicht klug. Es ist viel besser, wir finden heraus, wer am Sonntagabend damit losfährt.
Zum Kaffee ist Berndorf in die Ringspiel’sche Wohnung eingeladen, der Einfachheit halber – und weil Samstag ist – in die Wohnküche.
Der Kaffee ist kräftig, dazu wird Apfelkuchen gereicht, keinen selbst gebackenen, leider habe sie keine Zeit dazu, sagt Waltraud Ringspiel entschuldigend, die Arbeit mit dem Vieh und die Buchführung und dann muss sie sich um die Landfrauen kümmern, das glaubt der Herr aus der Stadt gar nicht, was da so alles zusammenkommt, aber der Kuchen sei aus der Bäckerei im Dorf, kein Fertigprodukt aus einer Großbäckerei von irgendwo, das müsse man doch auch unterstützen, dass so etwas noch im Dorf gemacht wird … Dann will sie wissen, ob der Besuch schon im »Adler« gegessen habe und ob er zufrieden war. Berndorf berichtet, dass es zwar nichts Afrikanisches gegeben habe, sondern ein Hirschgulasch, aber dieses sei durchaus nicht faserig gewesen, was doch schon etwas heißen wolle.
Auch der Kuchen ist gut, wie anhaltender Regen fällt dazu die Rede von Waltraud Ringspiel auf ihn herab, irgendwann erinnert sich Berndorf, dass auch der Ehemann mit am Tisch sitzt, Jörg Ringspiel ist groß und bedächtig. Und schweigsam, was irgendwie kein Wunder ist.
Der Herr Berndorf habe sich da noch einmal schöne Tage ausgesucht, fährt Waltraud Ringspiel fort, zum Wandern gerade recht, zumal es von Lauternbürg sehr schöne Wege gebe, der Herr Berndorf sitze hier sozusagen an der Quelle, denn ihr Mann sei Wanderwart des Schwäbischen Albvereins und müsse auch immer ein strenges Auge darauf haben, dass die Wegmarkierungen nicht verstellt
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