Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
strampelnd und prustend in der Lauter. Plötzlich hat er den Geruch des altmodischen Hallenbads in der Nase, in dem ihm selbst, einem mageren knochigen Jungen, das Schwimmen beigebracht worden ist.
»Das waren evangelische Pfadfinder?«
»Was sonst? »
»Der Pfarrer hat die Neugründung unterstützt?«
Ringspiel wirft ihm einen misstrauischen Blick zu. »Muss er wohl. Es wäre sonst nicht gegangen.«
Der Wald öffnet sich auf eine Lichtung. Der Hund verharrt, den Grund erkennt Berndorf einen Augenblick zu spät, denn da rennt Felix schon in einem rumpelnden gestreckten Hundegalopp auf ein Rudel Rehe zu, das in der Dämmerung am anderen Ende der Lichtung steht. Die Rehe verhoffen kurz, dann wenden sie sich ab und verschwinden mit hohen eleganten Sätzen im Waldesdunkel. Das Letzte, was Berndorf von ihnen sieht, ist der weiße Spiegel ihrer Hinterteile.
Von ferne hört Berndorf Motorengeräusch.
Felix hat den Waldrand erreicht, dreht ab, schnüffelt kurz unter den Bäumen, und kehrt dann zu Berndorf zurück, nicht allzu schnell, hechelnd, die Ohren zurückgelegt.
Das Motorengeräusch kommt näher. Berndorf leint den Hund an und dreht sich um. Ein Landrover fährt so direkt auf ihn zu, dass er und Ringspiel zur Seite treten müssen. Als der Fahrer auf gleicher Höhe mit ihnen ist, hält er und blickt durch das geöffnete Seitenfenster auf Berndorf hinab. »Das nächste Mal, wenn Ihr Köter wildert, schieß ich ihn ab.« Er sagt es ruhig, fast gleichgültig. »Und eine Anzeige kriegen Sie auch.«
Der Mann hat ein mageres, von einem grau melierten Bart eingerahmtes Gesicht.
»Ist schon gut, Karl«, sagt Ringspiel. »Das ist ein Gast von uns. Und der Hund da fängt keins von deinen Rehen mehr.«
»Das ist mir egal«, antwortet der Mann, von dem Berndorf vermutet, dass er der Landmaschinenhändler und Jagdpächter Neuböckh ist. »Das Jagdgesetz gilt auch für deine Gäste.« »Falls Sie Anzeige erstatten wollen, ist das vermutlich Ihr gutes Recht«, sagt Berndorf und holt eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche. Er reicht sie zum Wagenfester hoch. Auf der Karte steht nur sein Name und die Adresse. »Ich habe den Hund erst vor einigen Tagen bekommen…«
»Sie brauchen hier nicht rumzusülzen«, unterbricht ihn der Jäger. »Und solche Karten kann jeder drucken lassen.« Dann steckt er sie doch ein.«Das nächste Mal hab ich mein Gewehr dabei, und die Sache erledigt sich ganz schnell, kapiert?« Der Landrover fährt an und verschwindet im Wald vor ihnen. Berndorf sagt nichts mehr. Der Hund schaut zu ihm hoch mit einem Blick, wie ihn nur ein sehr alter Hund haben kann, der doch überhaupt nichts getan hat.
»Nehmen Sie’s nicht krumm«, sagt Ringspiel. »Der redet immer, als ob er’s mit dem Buchenprügel gelernt hätte.«
»Verkauft er auch so seine Landmaschinen?«, will Berndorf wissen.
»Die gehen ins Ausland«, antwortet Ringspiel, »nach Osteuropa, und auch nach Griechenland.«
Berndorf überlegt, welches Licht das auf die Umgangsformen im internationalen Landmaschinenhandel wirft, kommt aber zu keinem Ergebnis. »Ich hatte Sie vorhin gefragt«, sagt er schließlich, »wie sich der Pfarrer zu Ihrer Pfadfindergruppe gestellt hat. Das war doch der Wilhelm Hartlaub, nicht wahr?«
Ringspiel nickt. »Ein sehr angesehener Mann«, sagt er dann, fast erleichtert, als komme ihm das Thema wie bestellt, um von den Manieren des Lauternbürger Jagdpächters abzulenken. »Ein Prediger, wie Sie ihn heute nicht mehr hören. Einer, bei dem das Alte Testament noch gezählt hat. Streng war er freilich, die Kopfnüsse aus dem Konfirmandenunterricht vergess ich mein Lebtag nicht. Aber die Pfadfinder hat er sehr gefördert, das lag ihm am Herzen. Ich glaub, er hat auch den Constantin dazu gebracht, dass er sich um uns kümmert.«
»Sein eigener Sohn war auch bei den Pfadfindern?«
»Der Guntram? Der war damals noch zu klein, und eine Wölflingsgruppe hatten wir nicht.«
»Sie wissen, dass Guntram Hartlaub jetzt Dekan in Ulm wird?«
»Ich hab’s in der Zeitung gelesen«, antwortet Ringspiel. »Wie die Zeit vergeht. Aber wir haben es nicht mehr so mit der Kirche. Wenn es noch Prediger gäb’ wie den alten Hartlaub, wär’s vielleicht anders.«
»Dieser gewaltige Prediger«, sagt Berndorf unvermittelt, »was hat denn der eigentlich zu der Sache mit dem abgebrochenen Haus gesagt? Ich meine, hat er vom lieben Gott gepredigt, der die Kanaaniter hat totmachen lassen, oder vom Jesus, der die Schrotthändler aus dem
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