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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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aber ein tückischer Laternenpfahl, der Ihnen da gegen das Gesicht gelaufen ist«, sagt Kuttler mitfühlend.
    »Eh!«, meint Gollinger und murmelt etwas von einem bedauerlichen Missgeschick.
    »Lüg uns nichts vor«, sagt Neuböckh, »Paco hat dir die Fresse poliert. Dass es so kommt, hätte ich dir vorher sagen können.« Er wendet sich den beiden Beamten zu. »Das Mädchen kellnert in einer Kneipe und ist eins von der Sorte, die man überall für ein paar Mark bekommt, und diese Knallköpfe müssen sich darum prügeln…«
    »Das hätte ich ganz gerne doch von ihm selbst gehört«, stellt Tamar klar.
    »Ich weiß auch nicht, wie das kam«, sagt Gollinger, »es war am Donnerstag, und wie ich von der Mittagspause komm, steht der Paco, also der Herr Adler, an meinem Schreibtisch und stiert in meine Brieftasche, und ich sag, he, sag ich, was soll das? Und da hat er sich schon umgedreht und hat mir eine gewischt, dass ich gegen die Registratur geflogen bin, gegen die Kante, Sie können es ruhig sehen.«
    Unvermittelt steht er wieder auf und zieht seine Jacke aus und das Hemd und hebt ein Unterhemd aus angegilbtem Feinripp hoch und dreht Tamar einen weißlichen, mit rotgelben Pickeln übersäten Rücken zu, der aus dem Hosenbund quillt und über den sich ein vertikaler, zwischen grün und violett spielender Streifen vom linken Schulterblatt an abwärts zieht.
    »Waren Sie beim Arzt?«, fragt Tamar. »Wenn ja, soll er Ihnen ein Attest ausstellen. Und ziehen Sie sich wieder an.«
    Beim Arzt sei er nicht gewesen, sagt Gollinger. »Obwohl …, es ist nämlich eine Prellung, wissen Sie. Und das kann noch schlimmer sein, als wenn etwas gebrochen ist. Aber wenn jeder gleich zum Arzt rennt …« Ein Beifall heischender Blick streift seinen Chef.
    »Habe ich das richtig verstanden«, fragt Kuttler, »Sie haben Ihre Brieftasche während der Mittagspause hier auf dem Schreibtisch liegen lassen?«
    »Ich hab sie vergessen«, sagt Gollinger. »Sie war mir unter die Papiere für die Ladung nach Griechenland gerutscht, und der Herr Adler hat die ja holen sollen.«
    »Er hat sie dann aber nicht mitgenommen?«
    »Der hat ja hohl gedreht«, antwortet Gollinger. »Der hat hier rumgetobt, also ich hab mich einfach auf den Boden fallen lassen, dass er aufhört.«
    »Und dann ist er gegangen?«
    »Ich hab gehört, wie er raus ist, und dann ist er weg mit seinem Opel, dass die Räder durchgedreht haben.«
    Mit sanfter Stimme meldet sich Tamar zu Wort. »Das Foto hat er mitgenommen?«
    »Welches Foto? Ach so.« Gollingers Gesicht rötet sich. »Ja, das hat er mitgenommen.«
    »Es war ein Foto seiner Freundin, nicht wahr? Ein Aktfoto. Wie sind Sie eigentlich daran gekommen?«
    Gollinger versucht ein Grinsen. »Wie kommt man an so etwas? Fragen Sie sie doch selbst, wem sie’s gegeben hat.« Carmen ist ein mageres Geschöpf, denkt Tamar. Nicht sehr ansehnlich. Auch nicht, wenn man die Hämatome wegdenkt. Aber für diesen Fettsack noch immer zwei Klassen zu gut. Weiß der Henker, worauf sich Heten alles einlassen.
    Nicht bloß Heten.
    »Sie sagen uns jetzt ganz einfach, von wem Sie das Foto hatten«, sagt Kuttler ruhig, und Gollinger erzählt. Es ist eine der üblichen kleinen miesen Geschichten, denkt Tamar, während sie ihm zuhört, eine Geschichte von einem Mädchen und einem Kerl, das Mädchen lässt ein Aktfoto von sich machen, in Hollerbachs Waschküche und eigens für den Kerl, und als Schluss ist, hat der noch immer das Foto und lässt Abzüge machen und verteilt sie, nur so zum Spaß, und so kommt ein Foto auch zu dem kleinen dicken Gollinger …
    »Und dann hat dieser Idiot geglaubt, er muss damit den Paco aufziehen«, mischt sich Neuböckh ein. »Und ich kann womöglich das ganze Geld für die Fähre nach Patras in den Wind schreiben… Was liegt überhaupt gegen Paco vor?«
    »Wir wollen nur mit ihm reden«, antwortet Tamar. »Leider will er das offenbar nicht. Seinen Lastwagen würde ich mir übrigens gerne mal ansehen.«
    »Kein Problem«, sagt Neuböckh und steht auf. »Hol die Schlüssel«, weist er Gollinger an, und der bringt Schlüssel und Frachtbrief, beflissen und erleichtert, weil das Gespräch sich nicht mehr um ihn dreht.
    Neuböckh geht voran. Tamar folgt ihm, Kuttler hängt ein paar Schritte zurück und sieht sich um.
    Der rückwärtige Bereich des Firmengeländes ist mit dem unlackierten Schrott der 70er- und 80er-Jahre voll gestellt. Neben der Rampe vor der Halle mit den Sheddächern steht ein Lastzug. Das

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