Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
spürt eine kühle Hundeschnauze mit weichen Lefzen in seiner Hand. Felix beschnuffelt kurz das Trockenfutter und wendet sich wieder ab.
Neuböckh schließt die Tür der Hütte ab, legt die beiden Riegel vor und sichert sie mit Vorhängeschlössern. Eine Handbewegung scheint zu sagen: »Jetzt bist du dran.«
Der Schwarzhaarige zögert. Schließlich bückt er sich, und als sein Oberkörper wieder oberhalb der Balustrade zu sehen ist, hat er ein Gerät in der Hand oder ein Werkzeug, Berndorf kann es nicht genau erkennen. Mit dem Werkzeug geht der Mann zu der Tür, die gerade eben sorgsam verschlossen wurde. Hammerschläge sind zu hören. Holz splittert.
Neuböckh tippt dem anderen mit der Hand auf die Schultern, grüßend oder anerkennend, und steigt die Stufen der Veranda hinab. Der Schwarzhaarige bleibt oben stehen und sieht ihm nach, ein wenig ratlos, wie es scheint.
Neuböckh klettert in den Landrover und startet. Der Wagen wendet vor der Hütte, ein Gruß mit der Lichthupe holt Hütte und Veranda für einen Augenblick aus dem regentriefenden Zwielicht des Waldes, unterm First der Hütte hängt das Geweih eines Zwölf- oder Vierzehnenders, dann verschwindet der Landrover unter den Bäumen. Der Mann auf der Veranda nimmt wieder Hammer und Stemmeisen auf und nimmt sich den zweiten, tiefer angesetzten Riegel vor.
In seinem Versteck richtet sich Berndorf auf, vorsichtig. Nässe klebt an seinem Rücken, er bewegt die Schultern, als ob er sie damit vertreiben könne. Aber er stellt nur fest, dass er bis aufs Unterhemd durchnässt ist. Eigentlich braucht er jetzt auch keinen Hut mehr, trotzdem setzt er ihn wieder auf, er will die Hand frei haben.
Der Schwarzhaarige hat das Stemmeisen am Türschloss angesetzt. Nach einigen Schlägen schwingt die Tür auf, er nimmt die beiden Plastiktüten und geht in die Hütte.
Berndorf tritt ein paar Schritte zurück, gerade so weit, dass er sein Mobiltelefon benutzen kann, ohne gehört zu werden. Er schaltet es ein, das Display zeigt etwas an, das anders ist als sonst. Schließlich wird ihm klar, dass das Gerät ein Funknetz sucht und keines findet. Das Tal liegt in einem Funkloch.
Er nimmt die Leine wieder hoch und geht behutsam im Schutz der Bäume an der Lichtung vorbei. Von der Seite sieht er die Dachfenster der Hütte, offenbar ist das Dach ausgebaut, aus dem Schornstein zieht ein dünner Rauchfaden.
Die rückwärtigen Fenster der Hütte sind dunkel. Erst jetzt sieht Berndorf, dass der Weg, der von der Lichtung unterbrochen zu sein scheint, sich als schmaler Pfad fortsetzt und steil hinauf zu der westlichen Anhöhe über der Lichtung führt. Er nimmt die Wanderkarte, die ihm Ringspiel in einer Klarsichthülle mitgegeben hat. Soweit er es mit Hilfe einer kleinen Punktleuchte erkennen kann, die er an seinem Schlüsselbund trägt, führt dieser Pfad weiter bis zu einem der markierten Wanderwege. In zwei oder drei Kilometer Entfernung kreuzt dieser Wanderweg die Landstraße nach Wintersingen.
Plötzlich bemerkt er, dass der Hund zu ihm aufschaut. Es ist selten, dass Felix das tut. Offenbar ist er von früher raschere Entscheidungen gewohnt. »Wie du meinst«, murmelt Berndorf und schlägt den Weg zurück zur Hütte ein.
Das dunkle geduckte Dach taucht wieder vor ihm auf. Er geht um die Hütte herum und bleibt vor der Veranda stehen. Durch die kleinen Fenster fällt spärliches Licht. Musik spielt. Eine aufgeraute Stimme, eine Gitarre. Bob Dylan? Tryin’ to get to heaven? Haben die hier elektrischen Anschluss? Sicher nicht. Ein Recorder mit Batteriebetrieb.
»Hallo!«, ruft er. Und: »Ist da jemand?«
Keine Antwort.
Die Frage ist auch gar zu blöd. »Komm, Felix«, sagt er laut, »wir stellen uns hier unter, bis es sich ausgeregnet hat.« Sie steigen die Stufen zur Veranda hoch.
Die Musik bricht ab.
»’tschuldigung«, ruft Berndorf, »ich such nur einen trockenen Platz.«
Wieder keine Antwort.
Berndorf löst die Leine und gibt Felix einen Klaps, damit er sich hinsetzt.
Hinter ihm bewegt sich die Tür.
»Hau ab, du!«, sagt eine Stimme zu seinem Rücken. Die Stimme ist angespannt. »Das ist Privatbesitz, verpiss dich…«
»Oh, so freundlich wie immer«, antwortet Berndorf und dreht sich langsam um. »Der Herr Neuböckh, kein Zweifel.« Die Tür hat sich nur einen Spalt geöffnet, so dass Berndorf nicht erkennen kann, wer dahinter steht. »An der Stimme hätte ich Sie fast nicht erkannt… Ich suche nur ein wenig Schutz vor dem Regen, da haben Sie doch sicher
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