Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
die Stille, »ich bring Ihnen einen, Sie wollten doch einen…«
Berndorf schüttelt den Kopf. »Nicht wirklich.«
»Der Chef hat nichts dagegen«, versichert Paco, »ganz bestimmt nicht.«
»Das glaub ich sogar«, sagt Berndorf. »Gar nichts hätte er dagegen, wenn Sie sich den Kopf zuschütten.«
»Versteh ich nicht …«
»Da gibt es noch ganz andere Dinge, die schwer zu verstehen sind«, meint Berndorf. »Dass da zwei Männer vor einer Tür stehen, und der eine schließt sie ab, damit sie der andere mit dem Stemmeisen aufmacht, das zum Beispiel ist schwer zu verstehen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagt Paco. »Ich weiß auch nicht, was Sie hier überhaupt suchen.«
»Ein Dach über dem Kopf hab ich gesucht«, Berndorf setzt den Kaffeebecher ab, »einen warmen Ofen, einen heißen Kaffee. Gesucht und gefunden.« Er nimmt das Drillingsgewehr, das neben ihm auf der Sitzbank liegt und betrachtet es noch einmal eingehend. Es ist eine Krieghoff Neptun, zwei Schrotläufe, ein Büchsenlauf. Die Waffe ist selbstspannend – wenn sie geladen ist, ist sie auch schussbereit. Das hätte sogar richtig gefährlich werden können, denkt Berndorf und verscheucht den Gedanken sofort wieder. Auf dem Verschluss ist das Bild einer Frau eingraviert, die einen Kranz stilisierter Blätter um den Kopf trägt und die ihre Brüste mit den Händen bedeckt. Darunter ist, von Rankenwerk umgeben, ein Namenskürzel und eine Jahreszahl eingetragen, Berndorf muss das Gewehr höher an die Petroleumlampe halten, um die Initialen »CA« und die Zahl »1987« zu erkennen.
»Schönes Gerät.« Er legt das Gewehr wieder auf die Bank. »Einer wie Sie ist ein gutes Jahr auf Tour, bis er das Pulver dafür beisammen hat. Aber selbst die schönsten Waffen sind nichts als Werkzeuge des Unglücks. Hab ich mal irgendwo gelesen. Es wundert mich, dass der Herr Neuböckh das Ding so mir nix, dir nix aus der Hand gibt.«
»Ich soll hier aufpassen«, sagt Paco in verdrießlichem Ton. »Und Sie werden noch mächtigen Ärger haben, wenn er rauskriegt, was hier abgelaufen ist.«
»Aber vermutlich hat der Neuböckh Ihnen das Gewehr gar nicht gegeben«, fährt Berndorf fort. »Er hat Ihnen nur gesagt, wo Sie’s finden. Wenn das Unglück passiert ist, soll es nicht so aussehen, als ob er es war, der Sie hier hereingelassen hätte. Auf keinen Fall darf es so aussehen, nicht wahr?«
Paco schweigt.
»Es fragt sich nur, was für ein Unglück das sein wird.« Berndorf nimmt einen Schluck Kaffee und betrachtet Paco über den Becher hinweg. »Sie sind ja nicht hier, um sich von der Polizei schnappen zu lassen. Und wenn der Herr Neuböckh Sie verpfeifen wollte« – er unterbricht sich und sieht zu, wie ein Schatten über Pacos Gesicht läuft – »dann hätte er nicht die Komödie mit den aufgebrochenen Schlössern inszeniert.«
»Hören Sie mit dem Gerede auf«, sagt Paco. »Sie legen mich nicht herein, schon gar nicht auf Ihre karierte Art.«
»Ich will doch gar nichts von Ihnen«, antwortet Berndorf und stellt den Becher ab. »Ich denke nur laut. Ein Selbstgespräch. Alte Leute neigen dazu. Ich glaube nämlich nicht, dass der Herr Neuböckh die Schlösser nur sozusagen prophylaktisch hat aufbrechen lassen. Irgendwie kann ich das nicht glauben. « Er steht auf und verzieht das Gesicht. Unangenehm kleben Unterwäsche und Hosen an seinem Körper. »Ich werde mich hier mal umsehen. In der Zwischenzeit wollen Sie bitte hier am Tisch sitzen bleiben, mein Hund neigt dazu, plötzliche Bewegungen falsch zu verstehen.«
Er steht auf und geht zu dem Wandschrank. Die Seitentüren sehen nach Eiche massiv aus, doch in beiden stecken die Schlüssel, und die Tür rechts ist halb aufgezogen. Dahinter kommt ein Fach mit Gestellen für Gewehre zum Vorschein. Die Gestelle sind leer, bis auf einige Zwanzigerpackungen für Schrot- und Büchsenmunition unten im Fach. Berndorf vergleicht das Kaliber mit dem der Patronen, die er aus dem Drilling genommen hat. Die Kaliber stimmen überein.
Er schließt den Schrank ab und zeigt Paco den Schlüssel. »Wo haben Sie den gefunden? In einem von den Bierkrügen?«
Paco wirft ihm einen gleichgültigen Blick zu. Dann holt er eine Packung Zigaretten aus der Lederjacke, die über seinem Stuhl hängt. »Was dagegen, wenn ich rauche?«
Berndorf fragt nicht weiter, sondern verlässt die Wohnstube und geht durch den Flur in die rauchgeschwärzte Küche mit dem altertümlichen Herd und dem Propangaskocher.
In einem Verschlag steht
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