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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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nicht gewollt.«
    »Haben Sie Ihrer Frau von seinem Besuch erzählt?«
    »Eben nicht«, sagt Hartlaub, »welchen Grund hätte ich denn gehabt? Und eben deswegen bin ich jetzt hier bei Ihnen. Meine Frau konnte wirklich nichts von diesem Besuch wissen.« Auch recht, denkt Kuttler. Steinbronners Aschenbecher können wir vergessen. Falls ich jetzt nicht schon wieder an der Reckstange hänge. Ohne es zu merken.
     
    Die Dämmerung hat eingesetzt, und in dem tief eingeschnittenen Waldtal ist es so dunkel, dass Orrie den Scheinwerfer des Streifenwagens eingeschaltet hat. Regennasses Geäst streift Kotflügel und Seitenscheiben des Wagens. Im Scheinwerferlicht zeichnen sich tief eingedrückte Fahrspuren eines anderen Fahrzeugs ab.
    »Was suchen wir eigentlich?«
    »Weiß nicht«, antwortet Tamar abweisend. »Eine leere Jagdhütte. Ein Gewehr, das jemand liegen gelassen hat.«
    Der Polizeihauptmeister Leissle, genannt Orrie, wirft einen schiefen Blick zu seiner Beifahrerin.
    »… ‘tschuldigung.«
    »Wofür?«
    »Für unpassende Fragen.«
    »Schon gut.«
    Der Wagen biegt um eine Kehre, rechts unterhalb des Weges sieht Orrie einen schlammigen Tümpel, von stachligem Gesträuch eingefasst.
    »Da war ein Anruf, weißt du«, sagt Tamar. »Angeblich soll es eine Schießerei gegeben haben.«
    »Eine Schießerei um eine Jagdhütte, das gibt doch was her!«, lobt Orrie.
    Tamar beschließt, nichts mehr zu sagen.
    Vor ihnen scheint sich der Wald zu lichten, der Scheinwerfer erfasst die Umrisse eines Daches. Orrie lässt den Wagen ausrollen.
    »Näher ran?«
    »Nein«, sagt Tamar und öffnet die Tür. Mit einer Stablampe sucht sie den Boden ab und findet eine Stelle, wo sie den Fuß aufsetzen kann, ohne allzu tief im Morast zu versinken.
    Wieder sieht sie die tief eingegrabenen Fahrspuren vor sich. Sie geht am Wegrand entlang, so dass sie die Spuren nicht beschädigt. Orrie folgt auf der anderen Seite des Weges.
    »Soll ich Abdrücke von den Reifenspuren nehmen?«
    »Mach mal.«
    Der Lichtkegel der Stablampe erfasst die Jagdhütte und tastet sie ab. In der Dämmerung hat sie auf den ersten Blick einladend ausgesehen, wie eine Zuflucht. Jetzt, als die Stablampe zerschossene Fenster ausleuchtet, verfliegt dieser Eindruck. Plötzlich erscheint das hohe, auskragende Dach nur wie die Vortäuschung von Geborgenheit. Das ist ein Ort, der böse Geister fern halten sollte, denkt Tamar. Aber die Geister haben gewonnen …
    Sie geht zur Tür. Sie ist verschlossen, aber in Neuböckhs Büro waren ihr die Schlüssel herausgegeben worden. Sie schließt auf und tritt in die niedrige dämmrige Wohnstube. Der Lichtkegel der Lampe fällt auf einen Wandschrank mit zersplitterter Glasscheibe und den Trümmern von Steingut-Geschirr. Der Lichtkegel wandert weiter, plötzlich verharrt er, auf eine in sich zusammengesunkene Gestalt gerichtet, die in einem Sessel sitzt, ein Gewehr über den Knien. Für den Bruchteil einer Sekunde will Tamar nach ihrer Dienstpistole greifen, dann schüttelt sie den Kopf und geht zu der Gestalt und nimmt ihr den Hut ab.
    Das Licht der Stablampe fällt auf ein braunweiß gestreiftes Gesicht. Tückisch leuchten Glasaugen auf. Dann kippt das Gesicht nach vorne, der ausgestopfte Dachs purzelt aus dem Mantel und fällt auf den Boden. Das Gewehr schwankt von links nach rechts und wieder zurück.
    Tamar zieht Plastikhandschuhe an, nimmt das Gewehr auf und löst die Bindfadenschlaufe. Die Waffe ist nicht geladen, auf dem Verschluss sind die Buchstaben eingraviert, von denen Berndorf gesprochen hat. Sie stellt das Gewehr weg und beugt sich über den ausgestopften grauen Mantel. Eine Stelle ist eingedrückt, sie zieht den Stoff gerade und erkennt ein rundes, nur wenig ausgefranstes oder eingeschwärztes Loch. Wenn in dem Mantel ein Mensch gesteckt hätte, wäre es ein sauberer Herzschuss gewesen.
    Draußen krächzt der Polizeifunk. »Für dich«, ruft Orrie. Sie verlässt die Hütte und geht zum Streifenwagen zurück.
    »Glückwunsch«, sagt Kuttler. »Paco hat in einer Raststätte in der Nähe der Ausfahrt Ilsfeld übernachtet. Die Heilbronner Kollegen haben es gerade durchgegeben. Und weißt du, mit wem er dort angekommen ist?«
    »Es wird ein Hund dabei gewesen sein«, sagt Tamar.
    »Du bist langweilig. Aber heute Morgen ist Paco mit jemand anderem weitergefahren. Mit einem Kerl, der gebrauchte KFZ-Ersatzteile nach Polen karrt…«
     
     
    Schwarze Locken umrahmen ein blütenweißes Gesicht mit dunklen Augen und einem rosenroten

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