Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
fragt Tamar rasch. »Kurz nach halb elf, ja? Danke. Sie haben mir sehr geholfen. Übrigens ist der Herr Berndorf wirklich pensioniert.«
Dann legt sie auf. Soll sich doch die Ringspiel Waltraud den Kopf zerbrechen, was Berndorf mit schwarzhaarigen jungen Männern zu tun hat.
»Steinbronner wartet«, sagt Kuttler. »Wir sollten… Dieser Mensch ist auch so schon unangenehm genug.«
»Einen Augenblick.« Tamar schlägt den Autoatlas auf. »Berndorf ist gestern Abend kurz nach 22.30 Uhr in Lauternbürg losgefahren. Das heißt, nicht er ist gefahren, sondern Paco, der bei ihm war. Jetzt ist Berndorf in Stromberg, irgendwo im Hunsrück ist das, an der A 61 …«
»Ist Paco noch bei ihm?«
»Angeblich nicht«, antwortet Tamar und betrachtet den Autoatlas. »Die beiden haben die Autobahn genommen, und wegen der Baustellen bei Pforzheim sind sie nicht über Karlsruhe gefahren, sondern über Heilbronn. Und ich glaube nicht, dass sie die Nacht durchgefahren sind, das tut Berndorf sich nur ungern an…« Wieder greift sie zum Hörer.
»Wir müssen…«, wendet Kuttler zaghaft ein.
»So viel Zeit muss sein«, sagt Tamar und wählt die Nummer der Heilbronner Autobahnpolizei.
»Das ist, Kollegen, alles ein logistisches Problem«, erklärt Steinbronner und macht dazu mit beiden Händen eine umfassende Bewegung, als habe er soeben ein schweres verschnürtes Paket vor sich auf den Tisch gewuchtet. »Das ist wie im Krieg. Krieg ist Logistik. Wer kommt wann und wie wohin? Oder wieder zurück. Um nichts anderes geht es. Was wir hier haben, ist auch Krieg. Also? Wer hat wann und wo was getan?« Auffordernd sieht er sich im Großen Besprechungsraum um. Sein Blick bleibt an Tamar haften.
Tamar gibt den Blick zurück. Was sie sieht: ein kantiges Gesicht, das fast ansatzlos aus breiten Schultern herauswächst.
Drei-Tage-Bart, Stoppelhaare.
»Sagen Sie es uns, Kollegin.«
Du bist einfach nicht wahr, denkt Tamar. Dich gibt es nicht. Nicht wirklich. »Wir suchen nach einem oder mehreren unbekannten Tätern, die den Journalisten Hollerbach getötet haben«, antwortet sie. »Vor allem müssen wir den flüchtigen Fernfahrer Jiri Adler finden. Er hat den Getöteten wegen privater Aktaufnahmen zur Rede stellen wollen, die dieser von seiner Freundin gemacht hat. Ferner gibt es den Landmaschinenhändler Neuböckh, der für die Wohltätigkeitsorganisation ›Pflugscharen International‹ gebrauchte Landmaschinen in den Balkan, nach Osteuropa und Afrika liefert. Und schließlich gibt es den niederländischen Zoll, der in einem der für Angola bestimmten und von Neuböckh beladenen Container eine Ladung Schnellfeuergewehre gefunden hat.«
Steinbronner nickt. »So. Genau so. Sie gefallen mir, Kollegin. Präzis zusammengefasst. Gibt es etwas hinzuzufügen?«
»Inzwischen habe ich einen neuen Hinweis bekommen. Danach hat Adler vorübergehend in einer Jagdhütte bei Lauternbürg Zuflucht gefunden. Die Jagdhütte gehört Herrn Neuböckh.«
»Ach ja.« Steinbronners Kinn schiebt sich vor. »Was für ein Hinweis?«
»Ein Anruf. Der Anrufer hat seinen Namen nicht genannt. Das Gespräch war zu kurz, um seine Nummer feststellen zu lassen.«
Sie wirft einen Blick zur Seite, Kuttler ist in den Anblick der Tischplatte vor ihm vertieft.
»Kein digitaler Anruf?«
»Offenbar nicht. Außerdem habe ich die Kollegen der Autobahnpolizei gebeten, in den Raststätten nachzufragen, ob Adler bei einem anderen Fernfahrer zugestiegen ist.«
Nachdenklicher Blick. »Na schön. Sonst noch was?« Der Blick wandert zu Kuttler.
»Eh!«, sagt Kuttler. »Es spielt wahrscheinlich keine Rolle, aber dieser Journalist, dieser Hollerbach, hat einen Artikel über einen Posaunenchor geschrieben, oder eher über eine Beschwerde, die eine Religionslehrerin aus Stuttgart gegen diesen Chor vorgebracht hat, und es kann eigentlich wirklich nichts mit dem Tötungsverbrechen zu tun haben, aber ich habe diese Frau aufgesucht und sie gefragt, ob der Hollerbach, also der Journalist, vorher bei ihr gewesen ist, also bevor er den Artikel geschrieben hat, und sie hat gesagt, nein, sie hat diesen Mann nie gesehen …«
Steinbronner hat sich vorgebeugt und den Arm aufgestützt und den Kopf in die Hand gelegt. Er scheint Kuttler mit gebannter Aufmerksamkeit zu betrachten.
»Also, was ich sagen wollte«, fährt Kuttler fort, »auch sein Auto, einen alten VW-Käfer, will die Frau nicht gesehen haben, aber ich habe einen Jungen ausfindig gemacht, dem ist der Wagen aufgefallen, weil er alle
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