Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Mund, der Schwanenhals ist leicht geneigt, ein spitzenbehandschuhtes Händchen hält den Fächer, halb verbergend und halb lockend, der Fächer ist azurblau und drachengolden.
    »Donna Elvira«, erklärt Edith Autenrieth. Sie ist selbst eine kleine zierliche Person mit einem Strahlenkranz dünner toupierter blonder Haare. Eine Puppenfrau, denkt Berndorf und blickt durch das große Panoramafenster nach draußen in einen zugewachsenen regennassen Garten, letztes Herbstlaub hängt von den Zweigen eines Birnbaums, das Fenster ist an der einen Seite beschlagen, als habe sich innen in der Isolierung Feuchtigkeit festgesetzt.
    »Sie ist eine ganz besondere Kostbarkeit«, plaudert Edith Autenrieth weiter, »ich hab sie in Salzburg entdeckt, nach einer Aufführung, die noch Karajan dirigiert hat, denken Sie nur!« Keine Puppenfrau. Ein Puppenmädchen in einer Glasvitrine, die ihrerseits voll gestellt ist mit winzigen Vitrinen, in denen weitere, noch winzigere Puppenmädchen ausgestellt sind. Berndorfs Blick wird zu einem weiteren Ausstellungsstück geleitet, Sturmfrisur, die Lippen trotzig aufgeworfen, über Stand- und Spielbein kokettieren schmale Hüften, knappes Höschen deutet an, was eher nicht der Schamhügel ist. »Bin mal gespannt, ob Sie raten, was das ist?«
    Inzwischen hat er begriffen. Die Dame sammelt keine Porzellanhündchen oder -kätzchen oder sonst einen Nippes, die Dame sammelt Nippes aus Mozart-Opern.
    »Cherubino?«
    Edith Autenrieth beginnt zu trällern. »Ich weiß nicht, was ich bin, was ich mache / Bald bin ich Feuer, bald bin ich Eis…« Sie bricht ab und schenkt Berndorf einen Blick aus porzellanblauen Augen. »Ich bin entzückt. Cherubino, ganz recht.«
    Sie bittet zum Tee, Berndorf nimmt in einem mit himmelblauem Samt bezogenen Sesselchen Platz, das Sesselchen ist ein bisschen eng und der Bezug vorne ein wenig abgewetzt, aber das Sitzen tut gut, er ist zuvor eine gute Stunde mit Felix im Kottenforst durch den Regen gelaufen, ebene Wege, sich im immergleichen rechten Winkel kreuzend, fast hätte er sich verirrt. Irgendwann ließ er den Hund den Weg suchen, das brachte ihn rechtzeitig zum Parkplatz zurück, der keine hundert Meter vom efeubewachsenen Einfamilienhaus der Edith Autenrieth entfernt ist. Felix freilich wollte nicht in den Wagen, erst nach dem dritten »Hopp!« sprang er – die Ohren zurückgelegt  – auf seinen Platz im Fond, als ob er wüsste, dass er einige Zeit allein würde warten müssen.
    Der Tee wird in hauchdünnen Porzellanschälchen gereicht, Berndorfs Schälchen ist an der Seite ein wenig angeschlagen, aber er hat die Wahl zwischen weißem und braunem Kandis, einen zartsüßen Hauch von Gebäck gibt es auch.
    »Also«, sagt die Gastgeberin, »Sie wollten meinen Mann sprechen, und ich sagte Ihnen, dass ich das auch gerne wollte, wenn sich eine Gelegenheit dazu ergäbe. Kurz und gut, er ist weg, verschwunden, sag mir, wo die Blumen sind…« »Das tut mir Leid«, sagt Berndorf und muss sich erst einmal räuspern. »Ich habe zwar auch gehört, dass er ins Ausland gegangen sei. Aber ich nahm an, das sei eine befristete diplomatische Mission oder Abordnung…«
    »Ach, Unsinn!« Eine zarte, von blauen Adern überzogene Hand tippt ihm auf den Arm. »Constantin arbeitete im Bundeskanzleramt, der auswärtige Dienst hat ihn nie gelockt …« Plötzlich ballt sie die Hand zu einer kleinen porzellanfarbenen Faust. »Ich will gestalten, hat er mir immer gesagt, etwas bewirken, nicht einfach nur der Interpret sein oder der Überbringer.« Sie lässt die Faust wieder sinken und legt die Hand artig auf die andere, als sei ihr die Geste doch etwas zu dramatisch. »Er wollte dort sein, wo die Männer hart am Wind segeln, er liebte solche Ausdrücke, dabei hatte er gar keinen Segelschein, er war Jäger… Trotzdem war es nicht so dahergesagt, er führte die Geschäfte für den Bundessicherheitsrat, müssen Sie wissen, dabei dürfte ich Ihnen das wahrscheinlich gar nicht erzählen.«
    Was ist und tut der Bundessicherheitsrat? Berndorf hat keine Ahnung. »Aber warum ist er dann ins Ausland gegangen? Nach Argentinien, wenn ich Sie richtig verstanden habe …« Das Blau der Augen verdüstert sich. »Reich mir die Hand mein Leben, komm auf mein Schloss mit mir…, ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Und warum. Mir hat er gesagt, er habe eine neue Aufgabe als Repräsentant der deutschen Industrie in Südamerika übernommen.« Sie beugt sich zu ihm und flüstert verschwörerisch. »Alles

Weitere Kostenlose Bücher