Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
nichts davon vor Geoff. Er hat zu viel Fantasie.«
    Geoff war Mrs Lancasters kleiner Bub. Die Familie bestand aus Mr Winburn, seiner verwitweten Tochter und Geoffrey.
    Der Regen schlug gegen die Fensterscheiben – tripp-trapp, tripp-trapp.
    »Hör mal?«, fragte Mr Winburn. »Klingt das nicht wie kleine Schritte?«
    »Es klingt nach Regen«, sagte Mrs Lancaster mit einem Lächeln.
    »Aber das – das sind Schritte«, schrie ihr Vater und beugte sich vor, um besser lauschen zu können.
    Mrs Lancaster lachte laut auf.
    »Tatsächlich, du hast Recht. Da kommt Geoff die Treppe herunter.«
    Mr Winburn musste auch lachen. Sie tranken Tee im Salon, und er hatte mit dem Rücken zur Treppe gesessen. Jetzt rückte er seinen Stuhl herum, um besser zur Treppe sehen zu können.
    Da kam gerade der kleine Geoffrey herunter, ziemlich langsam und zögernd, mit der Scheu des Kindes vor einem fremden Haus. Die Treppen waren aus polierter Eiche, und es lag kein Läufer darauf. Er kam herüber und stellte sich neben seine Mutter. Mr Winburn fuhr leicht hoch. Während das Kind durch die Halle gekommen war, hatte er deutlich andere Fußtritte auf der Treppe gehört, wie von jemandem, der Geoffrey nachschlich. Schleppende Schritte, die merkwürdig gequält klangen.
    Dann zuckte Mr Winburn ungläubig die Achseln. Sicher der Regen, sicher der Regen, dachte er.
    »Ich sehe, ihr habt Sandkuchen«, bemerkte Geoff mit der bewundernswert unbeteiligten Miene von jemandem, der eine interessante Tatsache hervorhebt.
    Seine Mutter beeilte sich, seinem Wink zu entsprechen.
    »Nun, mein Schatz, wie gefällt dir dein neues Heim?« fragte sie.
    »Au, prima«, entgegnete Geoffrey, eifrig kauend. »Ganz prima, einmalig.«
    Nach dieser letzten Aussage, die offensichtlich Ausdruck tiefster Zufriedenheit war, verfiel er in Schweigen, einzig noch bedacht, den Sandkuchen in kürzestmöglicher Frist aus menschlicher Sicht zu entfernen. Nachdem er den letzten Bissen hinuntergeschlungen hatte, begann er zu erzählen.
    »O Mami, hier gibt’s Speicher, sagt Jane. Kann ich gleich mal raufgehen und sie untersuchen? Vielleicht gibt’s da Geheimtüren. Jane sagt, es gebe keine, aber es gibt doch welche – bestimmt, und ich weiß auch, dass es dort Wasserleitungen gibt. Kann ich damit spielen, und darf ich mal den Bo-i-ler sehen?«
    Das vorletzte Wort hatte er mit einer solchen Begeisterung ausgesprochen, wobei seinem Großvater ärgerlich einfiel, dass dieses Objekt kindlichen Entzückens in seiner eigenen Beurteilung leider nur die Vorstellung von heißem Wasser, das gar nicht warm war, aber von hohen und zahlreichen Rechnungen der Rohrleger hervorrief.
    »Die Speicher werden wir uns morgen ansehen, mein Kind«, sagte Mrs Lancaster. »Wie wäre es denn, wenn du dir deine Bauklötze holtest und ein hübsches Haus bautest? Oder eine Lokomotive?«
    »Will kein Haus bauen, und auch keine Lokomotive.«
    »Bau doch einen Boiler«, schlug der Großvater vor.
    Geoffrey strahlte.
    »Mit Leitungen?«
    »Ja, mit ganz vielen Leitungen, hörst du?«
    Geoffrey rannte schon glückstrahlend los, seine Bauklötze zu holen.
    Es regnete noch immer. Mr Winburn lauschte. Ja, es musste doch wohl der Regen gewesen sein, was er da gehört hatte; aber es hatte sich täuschend ähnlich wie Schritte angehört.
    In der darauffolgenden Nacht hatte er einen sonderbaren Traum.
    Er träumte, er spaziere durch die Stadt – eine Großstadt, wie ihm schien. Aber es war eine Kinderstadt. Es gab überhaupt keine Erwachsenen darin; nur Kinder, in ganzen Mengen. In seinem Traum rannten sie alle auf den Fremden zu, indem sie schrien: »Hast du ihn mitgebracht?« Ihm schien, er habe verstanden, was sie meinten, und schüttelte den Kopf. Als die Kinder das sahen, wandten sie sich ab und begannen zu weinen und bitterlich zu schluchzen. Die Stadt und die Kinder entschwanden, und er erwachte.
    Er lag in seinem Bett, aber das bitterliche Schluchzen war noch in seinen Ohren. Obwohl hellwach, hörte er es ganz deutlich. Da fiel ihm ein, dass Geoffrey im Stockwerk unter ihm schlief, während das Geräusch kindlichen Jammers von oben kam. Er setzte sich auf und zündete ein Streichholz an. Sofort hörte das Schluchzen auf.
    Mr Winburn sagte seiner Tochter nichts von seinem Traum und dem, was er gehört hatte. Er war davon überzeugt, dass es kein Streich oder gar eine Einbildung seinerseits war. Tatsächlich hörte er bald darauf wieder etwas, und zwar am helllichten Tag. Der Wind heulte im Kamin, aber da war noch

Weitere Kostenlose Bücher