Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
grauen Schimmer, und ihre Augen waren von kaltem Blau.
    Sie untersuchte das Haus vom Speicher bis zum Keller genau und stellte von Zeit zu Zeit Fragen. Als die Inspektion vorbei war, ging sie in eines der vorderen Zimmer, deren Fenster zur Straße lagen, und blickte mit entschlossener Miene dem Agenten ins Auge.
    »Was ist mit diesem Haus los?«
    Mr Raddish tat sehr verwundert.
    »Ein unbewohntes Haus wirkt immer ein wenig unheimlich. Das ist natürlich«, parierte er schwach.
    »Unsinn«, sagte Mrs Lancaster. »Die Miete ist lächerlich niedrig für das Haus, rein nominell – so, als ob man aus bestimmten Gründen sich nicht getrauen würde, es gleich zu verschenken. Dafür muss es doch einen Grund geben. Ich nehme an, es spukt hier.«
    Mr Raddish schüttelte nervös auflachend den Kopf, sagte aber nichts. Mrs Lancaster beobachtete ihn neugierig. Nach einigen Augenblicken sprach sie weiter: »Natürlich ist das Unsinn. Ich glaube nicht an Geister oder ähnliches, und es hat keinen Einfluss darauf, ob ich das Haus nehme oder nicht. Aber die Bediensteten sind leider abergläubisch und ängstlich. Es wäre also nett von Ihnen, mir zu erzählen, welcher Art der Spuk in diesem Haus sein soll.«
    »Äh, das weiß ich wirklich nicht«, stammelte der Häuseragent.
    »Doch, Sie wissen es«, sagte die Dame ruhig. »Ich kann das Haus nicht nehmen, wenn ich das nicht weiß. Was war los? Ein Mord?«
    »Nein, nein!« rief Mr Raddish, empört bei dem Gedanken, dass etwas so Entsetzliches mit der Ehrbarkeit des Platzes in Verbindung gebracht werden konnte. »Es ist – es ist ein Kind.«
    »Ein Kind?«
    »Ja. Ich kenne die Geschichte nicht genau«, begann er zögernd. »Es gibt die verschiedensten Versionen, aber ich hörte, dass vor ungefähr dreißig Jahren ein Mann namens William die Nummer 19 nahm. Niemand wusste etwas über ihn. Er hielt keine Diener. Er hatte keine Freunde. Er ging tagsüber selten aus. Er hatte ein Kind, einen kleinen Jungen. Nachdem er zwei Monate hier gewesen war, ging er nach London, und kaum hatte er den Fuß in die Stadt gesetzt, als man ihn als einen ›von der Polizei Gesuchten‹ erkannte. Weswegen, weiß ich nicht. Aber es muss ein schweres Verbrechen gewesen sein, denn bevor man ihn fassen konnte, zog er es vor, sich selbst zu erschießen. In der Zwischenzeit war das Kind hier allein in dem Haus. Es hatte zwar noch für eine Zeit lang zu essen, aber es wartete vergeblich Tag für Tag darauf, dass sein Vater zurückkäme. Unglücklicherweise war ihm eingetrichtert worden, unter keinen Umständen das Haus zu verlassen noch mit jemandem zu sprechen. Es war ein schwaches, kränkliches, kleines Geschöpf und dachte nicht im Traum daran, dem Befehl seines Vater zuwiderzuhandeln. Nachts hörten es die Nachbarn, die nicht wussten, dass sein Vater fortgegangen war, oft in der schrecklichen Einsamkeit und Verlassenheit des düsteren Hauses wimmern.«
    Mr Raddish machte eine Pause.
    »Und dann ist das Kind verhungert«, schloss er im gleichen Tonfall, in dem er auch hätte sagen können, es würde gleich zu regnen anfangen.
    »Und jetzt nimmt man an, dass der Geist des Kindes in dem Haus herumspukt?« fragte Mrs Lancaster.
    »Es ist nichts von Bedeutung«, beeilte sich Mr Raddish zu versichern. »Man hat nie etwas gesehen, nur – es ist natürlich lächerlich, wenn die Leute behaupten, sie hörten das Kind weinen, wissen Sie.«
    Mrs Lancaster ging auf die Haustür zu.
    »Mir gefällt das Haus«, entschied sie. »Für diesen Preis werde ich nichts Besseres finden. Ich werde darüber nachdenken, dann gebe ich Ihnen Bescheid.«
     
    »Es sieht wirklich heiter aus, nicht wahr, Papa?«
    Mrs Lancaster betrachtete ihr neues Besitztum voller Genugtuung. Bunte Teppiche, glänzend polierte Möbel und viele Nippsachen hatten die Nummer 19 mit ihrer Düsterkeit völlig verwandelt.
    Sie sprach mit einem mageren, etwas gebeugten alten Mann mit krummen Schultern und einem fein geschnittenen, geheimnisvollen Gesicht.
    Mr Winburn hatte keinerlei Ähnlichkeit mit seiner Tochter, man konnte sich kaum einen stärkeren Gegensatz vorstellen. Sie war resolut und praktisch, er verträumt und abwesend.
    »Ja«, antwortete er lächelnd, »keiner käme auf die Idee, in dem Haus einen Spuk zu vermuten.«
    »Papa, rede keinen Unfug! Und das an unserem ersten Tag.«
    Mr Winburn lächelte.
    »Nun gut, mein Liebling, einigen wir uns darauf, dass es so etwas wie Geister nicht gibt.«
    »Und bitte«, fuhr Mrs Lancaster fort, »erwähne

Weitere Kostenlose Bücher