Der Hund im Kuehlschrank
Rahmen und ein gemeinsames Einverständnis, dass beide für die Kommunikation bereit sind. Manchmal muss man die Aufmerksamkeit anderer aktiv einfordern. Man muss sich und sein Gesprächsanliegen
wichtig genug nehmen und deutlich sagen, dass man sich Raum für eine Unterhaltung wünscht.
Zu einem klaren Gesprächsrahmen gehören ein verbindlicher Ort und eine verbindliche Zeit. Wenn professionelle Erzählerinnen und Erzähler Geschichten zum Besten geben, ist der Rahmen klar gesetzt. Das Publikum zahlt Eintritt und signalisiert damit, dass es gekommen ist, um zuzuhören. Es gibt eine Bühne, vielleicht sogar einen Vorhang, der sich zu einer bestimmten Zeit öffnet und wieder schließt, und damit einen eindeutigen Ort sowie einen klaren Anfang und ein klares Ende. Im Alltag haben wir beim Erzählen keine Bühnensituation. Wir müssen uns den Rahmen selbst schaffen und Menschen finden, die uns zuhören möchten. Gemeinsam sollte vereinbart werden, wann die Kommunikation beginnt und wann sie endet. Das kann durch Worte geschehen, die die Erzählung einleiten: »Ich möchte euch von meinem Klassentreffen letzte Woche erzählen. Habt ihr Lust, die Geschichte zu hören?«. Es kann aber auch durch nonverbale Zeichen geschehen, beispielsweise ein deutliches Absetzen der Kaffeetasse, ein Räuspern oder ein geräuschvolles Luftholen zu Beginn. Klar definierte Erzählsituationen im Alltag sind jedoch selten. In unserer Kultur sind eindeutige Erzählplätze und -rituale in den Hintergrund getreten. Die Bedeutung eines tragfähigen Gesprächsrahmens wird meist unterschätzt. So erzählen wir eben doch zwischen Tür und Angel und wundern uns dann, warum das Gesagte nicht auf offene Ohren trifft.
Erzählräume schaffen
Im orientalischen Raum, wo das Erzählen noch fester in der Kultur verankert ist als bei uns, gibt es bestimmte Orte, an denen
Menschen gezielt zusammenkommen, um miteinander zu reden. So findet man z. B. auf Marktplätzen oder in Kaffeehäusern häufig einen ausgewiesenen Platz für »den Geschichtenerzähler«. Wie lassen sich auch in unserem Alltag bewusster Räume und Gelegenheiten für Erzählen und Zuhören schaffen? Das kann beim gemeinsamen Essen sein, wenn man beisammen sitzt und die Erlebnisse des Tages austauscht. Oder abends am Bett der Kinder beim Erzählen einer Gute-Nacht-Geschichte. In manchen Arbeitsteams findet vor längeren Besprechungen eine sogenannte Obenauf-Runde statt: Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin hat dabei die Gelegenheit, das zu sagen, was bei ihm oder ihr gerade »obenauf« liegt, ihn oder sie also im Moment beschäftigt. Durch das Aussprechen bekommt es einen Platz im Raum. Danach ist der Kopf in der Regel frei für die Tagesordnungspunkte der Besprechung. In vielen Kindergärten und Grundschulklassen ist der »Montagmorgen-Stuhlkreis« üblich, in dem die Kinder von ihren Erlebnissen am Wochenende erzählen. Achtsam zu sein für gute Erzählorte und Gelegenheiten zu schaffen, diese auch dafür zu nutzen, ist eine wichtige Aufgabe unserer Zeit.
Erzählen und Zuhören beginnt bei einem Gespräch zwischen zwei Menschen. Michael Lukas Moeller hat mit seiner Methode der »Zwiegespräche« eine ritualisierte Gesprächsform entwickelt, die auf achtsamem Erzählen und Zuhören basiert. Es wird bewusst die Aufmerksamkeit für die eigenen Worte und für die des Gegenübers gefördert und gefordert. Zum Zwiegespräch treffen sich zwei Personen zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt für eine fest vereinbarte Zeit – in der Regel einmal in der Woche für anderthalb Stunden – und schenken sich wechselseitig ihre
volle Aufmerksamkeit. Während der eine spricht – für etwa 10 bis 15 Minuten –, hört der andere zu. Dann wechseln die Rollen. Es gibt kein vorgegebenes Thema, der Fokus ist das gemeinsame Gespräch und die Beziehung zwischen beiden. Das Thema entsteht beim Reden. Einige Regeln geben dem Gespräch dabei einen klaren Fokus:
Jeder spricht von sich und seiner eigenen Wahrnehmung.
Keiner unterbricht den anderen beim Reden.
Beide Gesprächspartner hören einander zu.
Zwiegespräche zu führen ist eine sehr heilsame Methode, um wesentlich zu werden in dem, was man sagt, und achtsam zu werden in dem, was man hört.
Dieser Ansatz, sich mit einem Partner oder einer Partnerin zu festen Zeiten an festen Orten zu einem ritualisierten Gespräch zu treffen, lässt sich auf Erzählsituationen mit mehreren Menschen übertragen. In München gab es beispielsweise bis vor
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