Der Hund im Kuehlschrank
entdecken. Und möglicherweise haben Sie danach etwas Spannendes zu erzählen?
Dieser Impuls funktioniert natürlich auch umgekehrt: Fordern Sie einmal am Tag von jemandem – z. B. von einem Freund oder einer Freundin – die volle Aufmerksamkeit für sich selbst ein. Sagen Sie deutlich, was Sie von sich zeigen möchten, und nehmen Sie sich dann den Raum. Genießen Sie es, dass Ihnen jemand seine Augen, seine Ohren und seinen Fokus schenkt. Trauen Sie sich, die Zeit voll auszukosten. Wenn es Ihnen hilft, können Sie sich für diese drei Minuten einen Wecker stellen; auf diese Weise ist die Zeit definiert und ein klarer Rahmen gesetzt.
Die Frau auf der Parkbank
Vor einigen Wochen lag in meinem Fahrradkorb ein orangefarbener Zettel mit folgendem Text: »Sie erzählen, ich höre zu – ein Experiment! Stellen Sie sich vor, es käme ein Ihnen unbekannter Mensch in Ihre Stadt und würde Ihnen das Angebot machen, Ihnen zuzuhören. Einfach so. Ohne etwas dafür zu verlangen. Er oder sie säße für einige Tage im Park auf einer Bank, und Sie könnten sich einfach dazugesellen und erzählen, was immer Sie im Augenblick beschäftigt oder bewegt. Und der andere hört zu, begegnet Ihnen dabei mit Offenheit und Wertschätzung.
Sie könnten aber auch gemeinsam schweigen, wenn Ihnen das lieber ist. Oder diskutieren . . . Würden Sie diesen Menschen aufsuchen?« Und dann folgte eine Beschreibung, wo die Parkbank zu finden war, auf der sich die Zuhörerin im Englischen Garten in München niederlassen wollte, und woran man sie erkennen konnte. Ich war neugierig auf die Erfahrungen, die diese Frau mit ihrem Experiment machen würde, und da ich sowieso gerade mit diesem Buch über Kommunikation beschäftigt war, packte ich die Gelegenheit beim Schopf und radelte zum angegebenen Ort.
Ein Gespräch mit einer fremden Person ist etwas ganz anderes als die Kommunikation mit Freunden. Da sitzt auf einmal jemand neben einem, der überhaupt nichts von einem weiß. Was erzählt man so einer Zuhörerin? Was teilt man mit? Was vertraut man an? Vielleicht will man der fremden Person auch bestimmte Fragen stellen? Und falls man etwas von sich erzählt, an welcher Stelle setzt man in der Stofffülle des eigenen Lebens an und wo hört man wieder auf? Über genau diese Punkte habe ich mich dann auf der Parkbank mit der Zuhörerin unterhalten. Sie erzählte mir von einigen Gesprächen und Begegnungen. Dabei wurde deutlich, dass manche Menschen erst in einer solch experimentellen Kommunikationssituation merken, wie man durch alles, was man erzählt, sein Leben neu definieren und ordnen kann. Man hat die Wahl, welche Geschichten man auswählt, und vor allem, wie man sie darstellt und bewertet. Einer fremden Person kann man von den Schicksalsschlägen seines Lebens berichten, davon, was alles nicht funktioniert hat oder dramatisch war. Man kann aber genauso von den großen Geschenken und Glücksmomenten erzählen, von all dem, was in der Vergangenheit
gelungen ist und Freude gemacht hat. Jeder hat die freie Wahl, seinem Leben im Erzählen rückblickend eine Gewichtung zu geben, die sich auf die Tiefpunkte oder auf die Höhepunkte konzentriert. Beides ist möglich. Ein fremder Zuhörer, der einen nicht kennt und deswegen auch erst einmal nicht in eine Schublade steckt, erleichtert es, den Fokus zu verändern und sich selbst und sein Leben neu zu definieren. Vielleicht sind deswegen gerade Gespräche mit Fremden, von denen man weiß, dass sie zeitlich begrenzt sind und dass man sich nicht wiedersehen wird, Chancen, die man ab und zu ergreifen sollte. Auf längeren Zugfahrten bin ich selbst schon in solche Situationen geraten und habe den oft überraschend intensiven Austausch mit Fremden sehr genossen.
Gesprächen einen Rahmen geben
Wer etwas zu erzählen hat, möchte gehört werden. Doch nicht immer finden sich aufmerksame Zuhörer, die mit offenen Ohren auf Parkbänken sitzen. Und nicht immer ist die Gelegenheit günstig, um sich bei anderen mit (s)einer Geschichte auszubreiten. Bestimmt kennen auch Sie Situationen, in denen Sie jemand zwischen Tür und Angel überfiel und Ihnen ein Gespräch aufdrängte, für das Sie nicht bereit waren. Oder Sie kennen den umgekehrten Drang, etwas loswerden zu müssen, förmlich zu platzen vor Mitteilungsbedürfnis, und vergeblich nach jemandem Ausschau zu halten, der Zeit und Lust hat, in Ruhe zuzuhören. Eine Gesprächssituation beginnt vor dem Reden! Sie erfordert von Sprecher und Hörer einen klaren
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