Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
erwidert, tief in die entwurzelte Seele des Saluki geblickt, der sich zu seinem Herrn zurücksehnte, und präzise seine Gedanken formuliert.
„Wenn du mit auf die Rennbahn kommst, dann finde ich deinen Herrn und du kommst wieder zurück in deine angestammte Hierarchie!“
Ali Baba hatte nur kurz den Kopf angehoben, so als hätten ihn Davids Gedanken erreicht, als würde er den Sinn der Botschaften verstehen. Das war natürlich nicht der Fall, denn Hunde verstehen keine Worte, aber sie verstehen Stimmungen und vor allem – sie können Gedanken erfassen, wenn man sich so wie David als Hundeflüsterer in die Psyche eines Hundes versetzen kann.
„Bringe eine Höchstleistung auf der Rennbahn“, formte er seine Gedanken so klar und einfach, dass sie eine Lichtspur aus Worten bildeten – von David in einem leuchtenden Bogen zu Ali Baba – und einen plötzlichen Gefühlsausbruch des Hundes hervorriefen. Jaulend und mit der Rute wedelnd leckte dieser David über das Gesicht, trabte dann auf die Gittertür des Käfigs zu und schien nur darauf zu warten, dass David den Käfig öffnete und mit Ali Baba auf die Rennbahn ging. In den vergangenen zwei Tagen war er dann nicht von Davids Seite gewichen, hatte kurze Sprints und lange Ausdauerläufe absolviert und David als seinen Lehrer akzeptiert.
David blickte auf die Anzeigetafel, die Zeiten von Ali Baba waren phantastisch, der Saluki würde spielend jedes Rennen gewinnen, aber Davids Ziel war nicht der Wettkampf, sondern Gurbangulys Tod.
*
Eine Mountainbikerin fegte durch die Morgendämmerung und raste über kleine Feldwege ihrem Ziel entgegen. Durch ein zum Feldstecher umfunktioniertes Zielfernrohr studierte sie aus sicherer Entfernung die hohe Mauer, die das Grundstück umgab. Die Mauer war am oberen Rand durch elektrische Leitungen gesichert, sodass es unmöglich war, das Gelände unbemerkt zu betreten. Im Zwielicht des beginnenden Tages war auch die Pforte deutlich zu erkennen, die in die Mauer eingelassen war, von der Catherine gesprochen hatte.
„Arme Catherine“, flüsterte Leyla Khan, holte die im Gefrierbeutel konservierte Hand aus ihrem schwarzen Nylonrucksack und legte sie zum Auftauen vorsichtig neben sich. Langsam zog sie Bluse und Shorts aus und ließ kurz die kühle Morgenluft über ihre nackte Haut streichen. Dann holte sie einen dünnen schwarzen Overall aus ihrem Rucksack, schlüpfte hinein und zog mit einer energischen Handbewegung den Zipp bis zum Hals hoch. Sie sah erneut durch das Zielfernrohr und überprüfte die Mauer neben der Pforte. Sie konnte nichts Auffälliges entdecken, keine Kameras, nur das flache Display mit geschlossenem Deckel, der sich automatisch öffnete, wenn eine Key-Karte durch die Automatik geschoben wurde. Auch die Securitymannschaft überprüfte diese Pforte nur im Stundentakt.
Lautlos wie ein Schatten schob sich Leyla durch die Sträucher am Straßenrand. Es herrschte eine friedvolle Stille, die nur vom leisen Rauschen des morgendlichen Windes unterbrochen wurde. Die abgeschnittene Hand von Catherine war in der Zwischenzeit völlig aufgetaut, fühlte sich aber immer noch kalt und fremd an. Als Leyla die Key-Karte von Catherine durch den Schlitz zog, fuhr die Abdeckung des Displays nach hinten und der grünlich leuchtende Touchscreen, von dem Catherine gesprochen hatte, wurde sichtbar. Ohne Eile zog Leyla die abgeschnittene Hand aus der Folie und begann mit ihren Fingern die tote Haut an den Fingerspitzen der Hand zu massieren. Dann hielt sie sich die noch steife Hand an die Wange, konzentrierte sich auf die Hauttemperatur, massierte solange weiter, bis sie endlich zufrieden war.
Fest drückte sie dann die Hand auf die Glasfläche und ein leises Piepsen ertönte. Leyla hielt den Atem an, starrte auf den Lichtbalken, der jetzt langsam, Zentimeter um Zentimeter, Catherines Hand abtastete und dann verschwand. Plötzlich wurde der Bildschirm schwarz und die Abdeckung begann sich automatisch wieder zu senken, um das Display zu verschließen. Adrenalin schoss durch Leylas Venen. Alles umsonst, dachte sie. Kein Extrabonus, kein Haus, nichts, nur Armut bleibt mir! Vor Wut und Enttäuschung ballte sie ihre Fäuste, doch in diesem Moment öffnete sich die Pforte lautlos und Leyla konnte schnell hindurchschlüpfen. Jetzt war sie auf dem Grundstück, jetzt war das Ende ihrer Mission in greifbare Nähe gerückt! Gebückt lief sie an der Mauer entlang, bis sie einige Sträucher erreichte, hinter denen sie sich verbergen konnte. Aus
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