Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
ihrem Rucksack holte sie einen dicken Kohlestift und begann sich das Gesicht zu schwärzen, um mit den Felsen, dem Gestrüpp und den Bäumen zu verwachsen und unsichtbar zu werden. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie auch das Präzisionsgewehr zusammengesetzt und holte sich jetzt den Plan der gesamten Anlage auf ihr Handy. Am wichtigsten waren für sie das Hundehaus und die Rennbahn, zwischen diesen beiden musste sich ihrer Berechnung nach David Stein bewegen, um den Hund zu trainieren. Auf dieser Route würde ihn eine Kugel aus ihrem Präzisionsgewehr in den Tod befördern und Leyla Khan um eine Million Dollar reicher machen.
*
Im ersten Morgengrauen hörte Machmud wieder das Hecheln seines Hundes, das eine kühle Brise zu ihm herübertrug. Geschickt robbte er an den Rand des Pinienwaldes und beobachtete seinen weißen Saluki, der über die Rennbahn fegte und den aufgewirbelten Sand wie einen Kometenschweif hinter sich herzog. Schon zwei Tage beobachtete Machmud den Mann, der von der Frau in dem pinkfarbenen Kleid als „Hundeflüsterer“ bezeichnet wurde. Machmud hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber als er sah, wie vertraut der Mann mit dem Hund am Boden lag und wie gekonnt er sich durch Zeichen und Kopfbewegungen verständlich machen konnte, dachte er, dass dieser Hundeflüsterer ein Zauberer sein müsse. Ein Magier, der Machmuds Hund die Angst genommen hatte, so wie es die letzte Vision gezeigt hatte. Dieser Hundeflüsterer würde seinen Saluki solange beschützen, bis Machmud den Willen Allahs erfüllt hatte.
Jede Bewegung des Hundes war Machmud in den vergangenen zwei Tagen vertraut geworden, denn er hatte ihn ständig beobachtet. Deshalb war es für ihn auch nicht überraschend, dass sein Hund heute wie entfesselt die Rennbahn entlangfegte. Sein Hund, der ihm im Auftrag jenes Mannes, den er töten musste, von einem spanischen Händler gestohlen worden war.
Der Dorfälteste hatte ihm geraten, diesen Verlust nicht einfach hinzunehmen, sondern sich im Namen Allahs dafür zu rächen. Der Hund war Machmuds Kapital, der Hund würde alle Rennen in der südlichen Sahara gewinnen und Machmuds Einfluss innerhalb seines Clans würde steigen. Deshalb durfte der Auftraggeber nicht ungestraft bleiben, denn Machmuds Tat würde sich in der ganzen Sahara verbreiten und an unzähligen Lagerfeuern würde man sich noch lange die Legende seiner Reise erzählen und sein Ruhm würde ihm vorauseilen wie eine riesige Meereswelle, die hoch und höher steigt, um jeden Feind unter sich zu begraben.
Machmud strich über die gekrümmte Klinge des Dolches. Es war der dritte Tag, den Machmud auf den Mann wartete, der seinen Hund gestohlen hatte und der noch nicht erschienen war. Noch hatte er kein Zeichen von Allah erhalten, noch musste er warten, so wie er immer auf ein Zeichen seines Gottes gewartet hatte – just in diesem Augenblick erhielt er dieses Zeichen.
In der riesigen Villa auf dem Hügel, die noch im morgendlichen Schatten lag, öffnete sich eines der beiden goldenen Tore, die auf einen kreisrunden Vorplatz mit in den Boden eingelassenen goldenen Flammen führten. Zwei schwarze Golfcaddies fuhren langsam die breite Rampe entlang, bogen dann in die Allee ein, die zur Rennbahn hinunterführte. Im ersten Caddie saßen zwei Männer in schwarzen Anzügen mit dunklen Sonnenbrillen, der zweite Caddie wurde von einem blonden jungen Mädchen im Bikini gelenkt, ein zweites blondes Mädchen beugte sich seitlich aus dem Caddie und ließ die langen blonden Haare im Fahrtwind flattern. Hinter den beiden Mädchen entdeckte Machmud jetzt den Mann, der seinen Hund gestohlen hatte, den er in der Internetzeitung in Fes gesehen hatte. Dieser Mann trug eine schwarze Uniform, saß regungslos und übertrieben aufrecht auf der Rückbank des zweiten Caddies.
Langsam näherten sich die beiden Fahrzeuge der Rennbahn und Machmud wartete noch immer auf ein Zeichen, wusste nicht, wie er weiter vorgehen sollte. Sein Hund flog noch immer über die Rennbahn, drehte Runde um Runde, genauso wie er früher über die wellenförmigen Dünen der Sahara gerast war, ohne eine Spur im weißen Sand zu hinterlassen, leicht wie eine Feder und schneller als ein Gedanke. Die beiden Caddies fuhren jetzt aus dem Schatten der Dämmerung in das Licht des beginnenden Tages. Ein Sonnenstrahl bahnte sich seinen Weg über die Kuppel der riesigen Villa, erreichte die Allee, raste über die hohen Bäume, streifte den hinteren Caddie, brach sich auf den goldenen
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