Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
sein Leben erneut auf den Kopf gestellt werden würde. „Das Letzte, was ich von dir gehört habe, war, dass du in einer psychiatrischen Klinik gelandet bist.“
„Langsam, David, langsam! Alles der Reihe nach. Zuallererst bin ich als dein Freund gekommen.“ Schneider schlürfte genussvoll den heißen Kaffee. „Du hast damals einfach den Dienst quittiert, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen. Obwohl ich dein Freund war! Nach dem Anschlag in Kabul saß ich in der beschissenen Klinik und hatte keine Ahnung, wo du abgeblieben bist. Jane und François waren tot und du einfach verschwunden. Ich war so verdammt alleine!“ Mit einer langsamen Handbewegung nahm Schneider seine verspiegelte Sonnenbrille ab und sah David direkt in die Augen. „Ich war alleine, kannst du das verstehen! Du hast mir gefehlt, David, aber du hast nie versucht, einen Kontakt mit mir herzustellen! Wir hatten doch eine gute Zeit und tolle Einsätze!“ Schneider räusperte sich und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
„Komm endlich zur Sache, Schneider!“ David wollte sich dieses sentimentale Gerede nicht länger anhören, vielleicht weil er schon lange mit diesem Leben abgeschlossen hatte, vielleicht aber auch, weil er wusste, dass Schneider nicht um der alten Freundschaft willen zu ihm nach Arta gekommen war. Deshalb griff er auch geschäftig nach seinem Smartphone. „Ich habe in Kürze einen Termin für ein Hundetraining bei einem neuen Kunden!“
„David, dein Termin ist um zehn Uhr!“ Zum ersten Mal, seit er hier war, lächelte Schneider, aber es war kein freundliches Lächeln. „Es ist doch erst kurz nach acht, wir haben also noch jede Menge Zeit.“
„Du bist noch immer in der ,Abteilung‘ und hackst dich ganz skrupellos in mein Handy!“ Nur mühsam konnte David seine Wut unterdrücken, doch das Tai Chi hatte ihn gelehrt, nicht sofort emotionell zu reagieren, sondern ruhig nachzudenken. „Ihr habt euch kein bisschen verändert. Setzt euch einfach über Gesetze hinweg. Aber ich arbeite nicht mehr für die ,Abteilung‘ und bin ein anderer Mensch geworden! Du bist doch nicht hierher gekommen, weil du so Sehnsucht nach mir hast, Schneider! Egal, worum es sich handelt: Meine Antwort lautet in jedem Fall Nein!“
„Entspanne dich, David!“ Schneider machte eine beruhigende Handbewegung. „Natürlich bin ich mit einem kleinen Anliegen hierher gekommen. Aber ich komme nicht mit leeren Händen, denn auch ich habe dir etwas zu bieten!“ Schneider legte die Sonnenbrille auf den Tisch und griff in die Tasche seines grauen Leinensakkos. Ohne David aus den Augen zu lassen, zog er ein Smartphone heraus und aktivierte es.
„Das ist mein Geschenk an dich. Du wirst überrascht sein“, sagte Schneider dann und grinste abwartend.
Zögernd nahm David das Smartphone und betrachtete das Video, das Schneider eingeschaltet hatte. Eine belebte Straße in irgendeiner Stadt im Vorderen Orient war zu sehen. Mopeds, Autos, Lastwagen, Eselfuhrwerke verursachten das übliche Verkehrschaos. Die wackelige Kamera fokussierte einen Mann, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite gerade aus einem Kaffeehaus kam, sich vorsichtig nach links und rechts umblickte, dann auf die Fahrbahn trat, sich zwischen den im Stau steckenden Autos hindurchschlängelte und direkt auf die Kamera zuging, ohne diese jedoch zu bemerken. Für einige wenige Sekunden war das Gesicht des Mannes in Großaufnahme zu sehen, dann kamen andere Passanten ins Bild und das Video war auch schon zu Ende.
Davids rechtes Augenlid begann zu zittern. Seine Fingerkuppen schwitzten, als er das Video zurücklaufen ließ, um das Gesicht noch einmal zu sehen. Wieder sah er den Mann, der sich zwischen den wartenden Autos hindurchschlängelte. Wieder sah er das Gesicht in Großaufnahme. David drückte auf Stopp und starrte in das Gesicht auf dem Display. Mit dem Daumennagel massierte er die Narbe über seinem rechten Auge, während er die leicht schiefe Nase, die aufgeworfenen Lippen, das große Muttermal auf der linken Wange auf dem Standbild registrierte. Kein Zweifel, der Mann auf dem Video war Amir Karsai, der Mann, der die Bombe gezündet hatte, der Mann, der Jane getötet hatte. Der Mann, der bei der Explosion selbst getötet worden war, so jedenfalls war es ihm nach dem Anschlag mitgeteilt worden.
„Störe ich?“ Eine fragende Stimme riss David aus seiner Erstarrung.
„Sonja! Was machst du hier?“, rief er und sprang auf. „Wieso bist du hier?“
„Ich habe mir heute
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