Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
einmal fliegst du nach Berlin.“ Schneider holte ein Flugticket aus der Innentasche seines Sakkos. „Die Maschine geht bereits heute Mittag! Jemand aus der ,Abteilung‘ erwartet dich am Flughafen in Berlin.“ Er schob das Ticket über den Tisch. „Ist leider nur Economy. Auch wir müssen sparen“, fügte er mit einem Augenzwinkern entschuldigend hinzu.
„Was ist, wenn ich ablehne und dich zum Teufel jage?“ Mit dem Daumennagel fuhr sich David wieder über die Narbe, das rechte Augenlid zitterte noch immer leicht, er stand unter Stress. Er brachte es aber nicht fertig, Schneider einfach hinauszuwerfen. Das Video hatte alles wieder hervorgeholt aus den dunklen Bereichen seines Bewusstseins und die vergangenen zwei Jahre schlagartig in den Hintergrund gedrängt, wo sie wie alte Fotografien langsam vergilbten. Er hatte damals den Anschlag überlebt, um Jane zu rächen. Er lebte nur für Jane. Schneider hatte ja so recht. Sonja war zwar älter, sah aber aus wie Jane. Wahrscheinlich mochte er sie deshalb. Weil sie ihn daran erinnerte, wie das Leben hätte sein können – mit Jane.
Das war Sonja gegenüber nicht fair, absolut nicht fair.
„Scher dich zum Teufel, Schneider! Verschwinde, sonst werfe ich dich eigenhändig hinaus!“ Langsam stand David auf und ballte die Fäuste.
„Gut, David. Ganz wie du meinst.“ Schneider schüttelte nachsichtig den Kopf, steckte sein Taschentuch weg und erhob sich ebenfalls. „War jedenfalls nett, dass wir uns wieder getroffen haben.“
David nickte abwesend und schob mit spitzen Fingern Flugticket und Smartphone zu Schneider hinüber, doch dieser winkte mit gelangweilter Miene ab.
„Kannst du behalten, David! Vielleicht überlegst du es dir ja doch noch! Das Smartphone ist übrigens ein Geschenk der ,Abteilung‘!“
Schneider schlenderte langsam über die Terrasse zum Ausgang. Ehe er um die Hausecke verschwand, drehte er sich noch einmal um und tippte zum Abschied mit dem Zeigefinger an seine rechte Schläfe. „Wir sehen uns!“, rief er und lächelte zynisch.
Lange nachdem der Motorenlärm von Schneiders Wagen verklungen war, saß David noch immer regungslos auf der Terrasse, starrte auf das Smartphone, das schwarz und unheilverkündend auf der Tischplatte lag. Erst Sonjas besorgte Rufe lösten seine Erstarrung. Hastig steckte er Flugticket und Smartphone in seine Jeans und ging nachdenklich hinunter in den Garten.
„Oh, mein Gott. David, sieh nur, wie Sancho zuckt! Es geht ihm schlecht!“ Völlig aufgelöst stand Sonja in der offenen Käfigtür. Sie hatte ihre blonden Haare zu zwei Zöpfen geflochten und wirkte ausgesprochen jung mit ihrem ebenmäßigen Gesicht mit den hellblauen Augen, die von vielen kleinen Fältchen umrahmt waren. Zum ersten Mal spürte David bei Sonjas Anblick kein Bedürfnis, sie mit Jane zu vergleichen. Doch jetzt war es zu spät für einen Neubeginn, jetzt gab es das Video mit Amir Karsai und draußen die graue Welt der Geheimdienste.
„David, er darf nicht sterben! Sancho darf nicht sterben!“
„Keine Angst, Sonja! Wir kriegen ihn schon wieder auf die Beine. Los, hilf mir!“ Ganz langsam kroch David auf den Potenco zu, der in einer Ecke des Käfigs lag, nach Luft schnappte und trotzdem die Lefzen zurückzog und leise knurrte.
„Er braucht sofort eine krampflösende Spritze! Bleib du hier, ich hole den Arzneikasten!“, sagte David nach einem Blick auf den geblähten Bauch des Hundes und sein stoßweises pfeifendes Atmen.
Als David mit der Spritze zurückkam, hatte der Potenco bereits Schaum vor dem Mund und sein Zwerchfell hob und senkte sich unregelmäßig. Sonja zitterte und war ganz bleich, trotzdem versuchte sie tapfer zu assistieren.
„Wir müssen ihm die Spritze in den Bauch geben. Das ist nicht so einfach, denn er fürchtet sich vor den Menschen. Wir müssen ihn also überraschen.“ Der Potenco hatte schon ganz glasige Augen, trotzdem ließ er David und Sonja keine Sekunde aus den Augen und fletschte bei jeder Bewegung die Zähne.
„Sing ihm etwas vor“, flüsterte David. „Du hast doch eine so schöne Stimme. Das beruhigt ihn.“
„Findest du meine Stimme wirklich schön?“, fragte Sonja ungläubig, denn es war eine Seltenheit, dass David ihr Komplimente machte.
„Du bist überhaupt eine sehr schöne Frau, Sonja, aber jetzt fang endlich an zu singen!“, trieb David sie an. Sonja hatte tatsächlich eine wunderschöne Stimme, als sie einen norwegischen Schlager trällerte. Der Potenco schreckte hoch, starrte
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