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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Art Hausherrenrolle gedrängt worden war, brachte mich zum Flur. Es roch dort so, als ob in dem Bau noch immer Champignons gezüchtet würden. Am Ausgang hielt er mich am Ärmel zurück, warf einen vielsagenden Blick über die Schulter und sagte: »Zwei Männer waren da. Sie haben mit meiner Oma gesprochen.«
    »Was wollten sie?«
    »Ich durfte nicht dabei sein. Jetzt hat meine Oma Angst, daß wir verschoben werden.«
    »Ihr werdet nicht abgeschoben, keine Angst!«
    »Angst hat meine Oma«, betonte er, »nicht ich.«
    »Klar. Wie sahen die Männer aus?«
    Er zuckte die schmalen Schultern. »Einer groß und dünn, der andere groß und dick. Der Dünne hatte weiße Wimpern wie ein Clown; der Dicke trug einen Schnurrbart, so lang an den Seiten runter, und Glatze.«
    Ich versuchte, noch ein paar Einzelheiten aus ihm herauszulocken – vergebens. Zum Abschied drückte ich seine kleine Hand, legte verschwörerisch einen Finger auf meinen Mund und zeigte mit dem Daumen hinter uns.
    Jonni formte Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis: »Alles klar. Und danke für die Schuhe.«
    Auf dem Nachhauseweg bog ich ab, wo es nicht nötig war, hielt an, wo es nichts zu sehen gab, und kam so zu der Überzeugung, daß mir niemand folgte. Bei dieser Schlängelfahrt versuchte ich, die jüngsten Ereignisse einzuordnen.
    Irgend jemand setzte die Familie Wieczorek unter Druck, Gangster oder Rechtsradikale. Es würden aber auch normale Beamte der Ausländerbehörde genügen. Die Familie Wieczorek befand sich in einer Situation, in der sie sich von jedem einschüchtern ließ, der einigermaßen fest auftrat oder ihnen einen amtlich aussehenden Wisch unter die Augen hielt.
    Ich überlegte, wie meine Begegnung mit dem Kampfhund in die Zusammenhänge paßte. Nach der telefonischen Drohung konnte sie als verschärfte Warnung gelten. Das Verfahren hatte professionellen Anstrich, es war wirksam und barg für den Täter kein Risiko. Zur Not konnte er die Attacke des Pitbull Terriers immer noch als Ausrutscher eines unberechenbaren Tieres darstellen. Und vielleicht war sie das ja auch tatsächlich gewesen.
    Wie dem auch sei, halt dich raus! riet ich mir im stillen. Dieser Fall ist nicht dein Bier. Dein Auftraggeber heißt Salm, die Wieczoreks haben dich nicht angeheuert. Ihnen unaufgefordert zu helfen, würde sie höchstens in noch größere Schwierigkeiten bringen.
    Mit diesen Gedanken bog ich in meine Straße ein. Laut sagte ich: »Die meisten Probleme entstehen durch hilfsbereite Mitmenschen!« Ich wiederholte diese Regel noch mehrere Male, damit ich sie auch selbst glaubte.
    Bis weit nach Mitternacht lag ich wach und beschäftigte mich mit der Frage, was passiert wäre, wenn ich statt des Messers eine Pistole gehabt hätte. Wenn, wenn – ich hatte aber nicht, weil ich nicht durfte. Sollte ich den Behörden dankbar sein? Ein besonderes Bedürfnis, das die Waffenführungserlaubnis opportun erscheinen ließ, läge allein in der Eigenschaft des Antragstellers als privater Ermittler nicht vor – so ähnlich hatte es in der Absage in bestem Amtsdeutsch geheißen. Bei dem Versuch, die Formulierung korrekt wiederzugeben, bildete sich ein Knoten in meinem Bauch.
    Ich stellte mir eine leichtere Aufgabe, dachte an Judith, nahm mir vor, sie am Montag anzurufen, und schlief ein.
     
     
    Ich erwachte, weil ein verirrter Sonnenstrahl auf meiner Nase tanzte. Wenn das Wetter anhielt, sollte ich mir doch Rollos anschaffen oder aber früher aufstehen.
    Mit einem Ruck kam ich auf die Füße. In dem Knöchel, der von den Reißzähnen bearbeitet worden war, klopfte es, mein Handgelenk schmerzte, und hinter meiner Stirn übten Tiefflieger. Der Tag begann.
    Ich tastete mich ins Badezimmer. Der Strahl der heißen Dusche auf meinen Hinterkopf ließ mich vor Schmerz aufheulen. Ich pulte mir Stücke des Mauerwerks aus dem Haar, rubbelte mich ab und fühlte mich wie ein neugeborenes Baby: hungrig, schlapp und ausgestoßen.

14.
     
     
     
    »Arbeiten Sie auch sonntags?« fragte sie.
    »Fast nur sonntags«, knurrte ich. Der Anruf hatte meine Laune nicht gehoben, zudem regnete es wieder.
    »Auch im Ausland?«
    »Komme gerade aus der Äußeren Mongolei.«
    »Hah, das ist gut. Fällt Ihnen immer gleich ein Scherz ein?« Es knisterte im Hörer. Sie schien auf einer Liste nach weiteren Fragen zu suchen. »Sind Sie im Moment frei?«
    »Hm, kommt drauf an.«
    »Worauf? Etwa wie ich aussehe?«
    »Nun lassen Sie mal die Faxen, und kommen Sie zur Sache!« Langsam hatte ich es satt.

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