Der Hundeknochen
Meisterwerken der verschiedensten Kunstrichtungen, die jedoch alle von der Hand eines einzigen Mannes stammten. Es waren Bilder des genialen Fälschers Elmyr de Hory, der in Ungarn als Elmar Hoffmann geboren und 1976 in Ibiza gestorben war. In etlichen Staaten hatte er auf den Fahndungslisten gestanden, in Ibiza aber wie ein kleiner Fürst gelebt. So verkündete es stolz der Museumskatalog, und daß man als Schwindler hier zu Ruhm und Ehren kommen konnte, gab mir zu denken. Und dann noch Elmar!
Zurück im Hafenviertel, sah ich den Fischern zu, die mit ihren Booten zwischen den Kreuzfahrtschiffen, Fähren und Ausflugsbooten recht verloren wirkten. Ein Kellner, der im Türrahmen seines Restaurants auf Sonnenschein und Touristen wartete, machte mich auf einen Obelisken aufmerksam. Es handelte sich um ein Denkmal, das den ibizenkischen Korsaren und vor allem ihrem Anführer Antoni Riquer gewidmet war. Das war wohl einmalig in der Welt, daß nicht nur Bilderfälscher, sondern auch Freibeuter geehrt wurden. Aber auch der Müll hinter der Festungsmauer, die Tanzlokale im maurischen Stil und die Abfälle, die im Hafenbecken zwischen den Luxusjachten trieben, schienen mir für diese zweieinhalbtausend Jahre alte Stadt charakteristisch.
Das Schiff, das mich nach Formentera bringen sollte, hieß Joven Dolores. Die Kapitäne der großen Fähren und Schnellboote streikten, der Wind war zu stark. Die junge Dolores, wie ich es mir aus dem Wörterbuch übersetzte, machte den Eindruck, als hätte sie schon bei den Kaperfahrten der heldenhaften Piraten mitgemacht. Auf knochenharten Bänken saßen zwei Dutzend Passagiere, auf dem Vorderdeck waren Mofas festgezurrt, und in Pappschachteln piepsten Küken. Steuerbord zog der Festungshügel von Ibiza-Stadt an uns vorbei, backbord tauchte als blasser Strich die Insel Formentera auf. Als wir aus dem Windschatten von Ibiza herauskamen, wurde es rauh. Von den meterhohen Wellen hin und her geworfen, schaukelte das alte Schiff durch die aufgewühlte See. Ungerührt verteilten die Matrosen braune Papiertüten; ein Teil der Passagiere mußte sie benutzen, andere wurden nur grün im Gesicht.
Ich gehörte zur zweiten Gruppe. Wie es Segler raten, visierte ich den bleigrauen Horizont an, der mal seitlich über mir, mal seitlich unter mir war, nur nicht dort, wo er hingehörte. Ich hatte das Gefühl, daß die Überfahrt Stunden dauerte. Meine Uhr sprach dagegen. Nach genau fünfundsechzig Minuten legte die Joven Dolores in La Sabina an.
Das also war der Hafen von Formentera. Vom Wind zerzauste Palmen, ein Dutzend Häuser mit Bogengängen, Fischerboote und Segeljachten, die auf den Wellen tanzten, und eine Betonmole, die unter meinen Füßen wie eine Luftmatratze nachzugeben schien. Elmar Mogge, Duisburgs starker privater Ermittler, befand sich im neuen Einsatzgebiet.
Jedes Schulkind hätte mich umhauen können.
16.
Das Spektakel zwitschernder Vögel weckte mich am anderen Morgen. Ich überlegte, was es auf der öden Insel wohl zu jubilieren gab. Durch die Scheiben des Taxis, das mich gestern vom Hafen zum Hotel Pinomar brachte, hatte ich eine flache, graue, eher karge Landschaft wahrgenommen.
Ich stieß die Fensterläden auf und prallte zurück. Gleißendes Licht strömte ins Zimmer. Der Himmel strahlte in makellosem Blau, und das Meer, das ich durch das satte Grün der frisch gewaschenen Pinien sehen konnte, war ein leuchtender Tintenklecks. Über Nacht hatte jemand mächtig mit Farben hantiert.
Ich mietete ein leichtes, geländegängiges Motorrad und fuhr zum Hauptort der Insel. San Francisco Javier war nicht einmal ein richtiges Dorf, der Ort bestand aus nicht viel mehr als drei Straßen. In den neuen Gebäuden protzten Bankfilialen und Supermärkte, die alten Häuser beherbergten Boutiquen und Souvenirläden.
In einem Café gegenüber der fensterlosen Wehrkirche mit ihren mächtigen Mauern und dem winzigen Glockenturm saß ein gemischtes Völkchen. Sonnengerötete Tagesbesucher in kurzen Hosen, Einheimische, die eine Vorliebe für Kunstfaserhemden hatten, und ausländische Langzeiturlauber, die sogenannten Residenten, mit gelangweilten Mienen. Werner Stoll war nicht darunter.
Ich setzte mich, bestellte Milchkaffee und Ensaimadas, jene inseltypischen, mit Schmalz gebackenen Hefeschnecken, und hörte zu.
»War das ein geiler Regen«, erklärte am Nebentisch ein Hüne, ausstaffiert mit schwarzem Hut und einem Schal aus gefärbtem Windelstoff. »Ich habe das Ohr an die Zisterne
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