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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Ich stand ohne einen Fetzen Stoff am Leib auf den kalten Badezimmerfliesen. »Ihren Namen dürfen Sie mir bei der Gelegenheit auch nennen.«
    »Gundula Stoll.« Sie stockte, kam aber wieder in Schwung. »Also, Werner Stoll, mein Mann, von dem ich getrennt lebe, der aber zur Unterhaltszahlung verpflichtet ist…«
    »Der ist weg, stimmt’s?«
    »Besonders freundlich sind Sie nicht. Aber das macht nichts. Wenn ich’s recht bedenke, empfiehlt Sie das sogar für die Aufgabe.«
    »Hören Sie, ich habe noch nicht gefrühstückt, und bevor ich nicht gefrühstückt habe, kann ich niemanden leiden, nicht mal mich selber.«
    »Ach, das macht nichts«, sagte sie mit unerbittlicher Nachsicht. Nichts schien der Dame etwas auszumachen, ausgenommen, daß ihr Mann sich abgesetzt hatte und die monatliche Zahlung ausblieb. »Ich kann später noch mal anrufen oder, was noch besser wäre, ich könnte bei Ihnen vorbeikommen.«
    Ich nannte ihr meine Adresse, beschrieb den Weg und erwähnte nebenbei, daß es im Bahnhof einen Laden gab, wo man sonntags frische Brötchen kaufen konnte.
    Eine halbe Stunde später klingelte sie an meiner Tür. Ich ließ sie herein. Mit den forschen Schritten einer Lehrerin betrat sie mein Büro, steuerte auf den Schreibtisch zu, als wäre er ein Klassenpult, und legte die Tüte mit den Brötchen ab.
    Sie war um die Dreißig, knapp mittelgroß, sportliche Figur. Ihr glattes schwarzes Haar hatte einen Stich ins Blaue, wie es an und für sich nur Asiatinnen haben oder gute Frisöre hinkriegen. Ihr Mund, schmal und energisch, war der Mund einer Besserwisserin. Auf ihrer Oberlippe lag ein grauer Schatten, den Kenner als Zeichen von Rasse und Unersättlichkeit deuten. Mag sein, für mich war sie in erster Linie eine mögliche Klientin.
    Ob sie rauchen wolle, fragte ich. Nein, danke. Trinken? Tee, Kaffee, Kakao? Nein, auch nicht unbedingt. Also rückte ich ihr wenigstens den Besuchersessel zurecht. Sie setzte sich auf die Kante, zupfte an ihrem Lederrock, stellte die Beine schräg, hob das Kinn. Wir kamen zum Geschäftlichen.
    Ich nannte meine Konditionen, sie erklärte sich einverstanden. Während ich an meinem Brötchen nagte, erzählte sie mir ihre Geschichte.
    »Acht Jahre waren wir verheiratet. Acht Jahre hat er in einer angesehenen Konstruktionsfirma gearbeitet. Werner ist einer der bestbezahlten Architekten der Stadt, das heißt, war einer der bestbezahlten Architekten, müßte ich sagen. Denn kaum hatten wir uns getrennt, gab er seinen Posten auf und zog auf eine kleine Mittelmeerinsel, nach Formentera.«
    Ich kaute, hörte zu, Fragen konnte ich immer noch stellen. Sie fummelte am Verschluß ihrer Handtasche, aber nicht etwa, weil sie aufgeregt war, vielmehr um mit dem Knipsen des Verschlusses ihre Sätze zu unterstreichen.
    »Angeblich ist er dort, um ein genügsames Leben ohne Arbeit zu führen; sich selbstverwirklichen, nennt er es. Angeblich lebt er dort wie ein Mönch, meditiert, ernährt sich von Reis und wildem Mangold. In Wirklichkeit aber, da bin ich mir sicher, verdient er dank der regen Bautätigkeit auf der Insel eine Menge Geld, sitzt in Schlemmerlokalen und hat ein blondes Herzchen mit dicken Brüsten an seiner Seite – genau das wäre nämlich nach seinem Geschmack. Selbstverwirklichung, pah! In Wahrheit will er sich doch nur vor der Unterhaltszahlung drücken, die nach seinen letzten Einkünften veranschlagt wurde.«
    »Das soll vorkommen«, gab ich zu.
    »Aber nicht mit mir!« Ihre Lippen wurde noch schmaler. »Ich will, daß er sich in einem Großraumbüro verwirklicht, an einem Zeichenbrett, und zwar bis der Bleistift glüht.« Sie sah mich mit Augen an, die so sanft waren wie die einer Wildkatze. »Da liegt Ihre Aufgabe, Herr Mogge.«
    »Um eines mal gleich klarzustellen: Ich habe nicht mehr Befugnisse als jeder Bürger; ich kann niemanden festnehmen, darf nicht einmal eine Waffe…«
    Mit einem Tatzenhieb winkte sie ab. »Mir genügen Beweise, eindeutige Fotos, minutiöse Aufzeichnungen über seinen Tagesablauf. Der Rest ist dann Sache des Familienrichters. Mit den Beweisen in der Hand kriege ich Wernerchen schon wieder ins Joch.« Vorfreude entschärfte ihre Stimme und brachte ein Lächeln in ihre Augen.
    Sie gefiel mir deswegen nicht besser, aber ich nahm den Auftrag an. Er würde mich in die Sonne bringen und zudem mein Konto weiter aufhellen.
    »Wann?« fragte ich.
    »Sofort«, sagte sie, öffnete nun endgültig ihre Handtasche und entnahm ihr einen großen Briefumschlag. »Hier

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