Der Hundeknochen
gelegt und die Peseten gezählt; mir reicht das Wasser für den ganzen Sommer, brauche nichts mehr zu kaufen.« Er sprach mit holländischem Akzent und laut genug, daß es jeder auf dem Platz hören konnte.
»Hat es in dein Atelier reingeregnet?« wollte sein Tischnachbar wissen. Er trug zur breit gestreiften Hose ein Sakko auf nackter Brust.
»Mensch, ich arbeite jetzt nur noch draußen. Ich pflanze, ich baue, ich mache reale Kunst, keine Kacke für Touristen.«
Die Tagesbesucher zuckten zusammen, der Gesprächspartner des realen Künstlers erhob sich. »Muß los, mein Fincadach abdichten. Hasta luego!« Er schulterte eine Korbtasche, aus der Porreestangen und eine Maurerkelle ragten.
Die Besucher, die fasziniert, wenn auch unauffällig zugehört hatten, schauten auf ihre Strandtaschen mit den Badetüchern und kamen sich lausig vor.
»Schon länger hier?« wandte ich mich an den Mann mit Hut und Schal.
»Wie kommst du darauf?« Er musterte mich wie einen von Schädlingen befallenen Salatkopf.
»Ich habe zufällig mitgekriegt, daß Sie bauen. War eben auf dem Kap Barbaria und habe mir dort ein Grundstück angesehen, na ja, irgendwann brauche ich wohl einen fähigen Baumeister, deshalb.«
»Mensch, ich mache doch keine Scheiß-Ferienkisten, die elf Monate im Jahr leerstehen und die ganze übrige Zeit die Landschaft kaputt machen«, putzte er mich runter, so laut, daß alle anderen um uns herum aufmerksam wurden. Unverhohlene Abneigung in den Augen der ausländischen Residenten, Belustigung, daß es einen aus den eigenen Reihen erwischt hatte, in den Mienen der Touristen.
»Hm, eigentlich dachte ich, elf Monate hier zu wohnen und allenfalls mal für vier Wochen Großstadtluft zu schnuppern.« Das war dick aufgetragen und verfehlte nicht seine Wirkung. Denn jetzt wurden die Blicke der Tagesurlauber giftig. Schon wieder so ein Aussteiger, wenn das alle täten!
Weil ich mich nicht weiter über meine Pläne ausließ, stand schon bald darauf wieder der Mann mit dem Hut im Mittelpunkt. Alle schienen ihn zu kennen; viele begrüßten ihn, einige wenige mieden ihn. Er verteilte Rundumschläge, schimpfte auf die Touristenweiber, die in Bikinis die Kirche betraten, und auf die Touristenmacker, die ihre Krampfadern zeigten. Aber auch auf die einheimischen Bauern war er nicht gut zu sprechen, weil die ihr Land weggaben. Am meisten ärgerten ihn die Kunstbanausen, die jeden Kitsch kauften, auf dem Formentera stand, solange der nur in ihre Koffer paßte.
»Zum Glück sind denen meine Objekte zu schwer«, rief er und deutete, um keine Zweifel aufkommen zu lassen, auf seinen linken Bizeps und an seine Stirn. »Zu schwer hier und zu schwer hier, verstehst du?«
Die Sonne stieg schnell. Die Urlauber verzogen sich zu den Stränden, die Residenten gingen nach Hause, um Porree zu kochen oder um die Dächer zu reparieren, die Einheimischen machten Siesta. Der Mann mit dem Hut fummelte einen Schlüssel von seinem Schlüsselbund, das er nach Art der Spanier an einer Gürtelschlaufe trug, stelzte über den Platz und verschwand in einem weißen Gebäude mit gelbem Schild, auf dem Correos y Telegrafos stand; jemand hatte Correus, das katalanische Wort für Post, darüber gesprüht. Ähnliche Sprühschriften waren mir auch bei den Ortsschildern aufgefallen, anscheinend war der Sprachenstreit noch nicht entschieden.
Ein Mann in Latzhose, der inzwischen am Nebentisch Platz genommen hatte, bestätigte meine Vermutung, erzählte so dies und jenes von der Insel und gab mir, indem er von seinem Stuhl aufstand, einen Tip, wo ich Kaninchen mit Knoblauch und Schnecken essen sollte. »Bon profit – guten Appetit!«
Der Bildhauer kam mit einer Stange Brot und einem Packen Briefe zurück, winkte die Kellnerin heran und führte mir sein fließendes Spanisch vor.
Nachdem er bezahlt hatte, sagte er zu mir: »Noch immer da, Herr Bauherr?« Jetzt, da die Zuhörer fehlten, sprach er leise, geradezu gemütlich.
Ich nickte und hielt das Postgebäude im Auge. Rechts und links vom Eingang hatten Nachzügler der Hippiebewegung ihre Stände mit Schmuck aufgebaut, teilweise ganze originelle Dinge, doch größtenteils Ramsch aus Fernost.
»He, Mann, heute abend werden in der Casa Los Arcos meine Skulpturen gezeigt, richtige Kunst, kein Kram aus Olivenholz. Wein umsonst, Paella umsonst, die Skulpturen mußt du kaufen, aber hast ja Geld.« Er schnappte sich seine Briefe, die bestimmt Angebote von den besten Galerien zwischen New York und Paris enthielten.
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