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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Fincastil gebauten Häuser waren bereits fertig, an anderen wurde noch gearbeitet. Eine Ramme zertrümmerte den felsigen Boden für ein Schwimmbecken; und das in einer Landschaft, in der nicht genug Gras für eine einzige Kuh wuchs und selbst Trockengewächse ums Überleben kämpften. Das Becken würde mit aufwendig entsalzenem Meerwasser gefüllt werden, das in Tankwagen herangeschafft werden mußte.
    Meine Kenntnisse hatte ich von dem Mann in der Latzhose, der mir auch die Sprühschrift no mas urbanizaciones übersetzt und mir zudem erklärt hatte, daß es auf der Insel eine Gruppe gab, die recht kämpferisch gegen weitere Feriensiedlungen protestierte.
    Ich hielt an und richtete das Teleobjektiv auf eine kleine Herde von Schafen und Ziegen, die unter einem schirmartig abgestützten Feigenbaum Schatten suchten. Eine alte Frau in Tracht und bebändertem Strohhut lehnte an dem Baumstamm und werkelte mit einer Holzspindel. Viel zu hüten gab es nicht für sie. Die Beine der Ziegen und Schafe waren zusammengebunden, damit sie die von Natursteinmauern begrenzten Felder nicht verlassen konnten.
    Ich schwenkte das Teleobjektiv. Auch das andere Bild, das sich mir bot, war nicht ohne Idylle. Werner Stoll hatte die rechte Hand auf die Hüfte seiner Freundin gelegt und zeigte mit der linken auf Kalklinien und Hohlblocksteine, die eine Baustelle markierten. Ich hörte förmlich seine Worte: Hier, mein Schatz, ist das Wohnzimmer, dort wird unser Schmusewusebett stehen, und, schau mal, in diese Ecke kommt die Einbauküche mit der Waschiwuschimaschine.
    Ich drückte den Auslöser, veränderte die Belichtung, drückte noch einmal und schwang mich auf den Motorradsattel. Ich fuhr gemächlich, sog ganz bewußt die Luft ein, diese Geruchsmischung aus Rosmarin, Pinienduft und Salzwasser, und blickte öfters in den Rückspiegel.
    Werner Stoll und seine Freundin verließen die Baustelle.
    Als sie näher kamen, stieg ich ab, beugte mich mit dem Fotoapparat über einen Thymianstrauch und ließ sie an mir vorüberbrausen.
    In San Francisco Javier hatte ich sie wieder. Der Jeep stand vor einem zweistöckigen Gebäude mit Freitreppe; zu ebener Erde waren Garagen, darüber Büroräume. Über die halbe Wand liefen Lettern aus blauen Kacheln: Construcciones Fortesa.
    Werner Stoll verabschiedete sich mit einem Schmatz, die blonde Fahrerin legte den Gang ein.
    Ihr zu folgen hatte wenig Sinn, auf Werner Stoll zu warten noch weniger. Es war zehn vor fünf, Ende der Siesta, Beginn der zweiten Arbeitsrunde. Alles deutete darauf hin, daß Stoll hier beschäftigt war.
    Um es amtlich zu haben, betrat ich das Bürgermeisteramt gegenüber der Wehrkirche. Ein junges Mädchen und ein älterer Mann übertrafen sich in der Anstrengung, mich nicht zu bemerken. Nachdem ich eine Weile mit den Fingern auf der zerkratzten Holztheke getrommelt und damit den typisch ungeduldigen Ausländer hervorgekehrt hatte, schleppte sich das Mädchen heran. Es hatte zwanzig Pfund Übergewicht und Hautprobleme.
    Zunächst wollte ich mich erkundigen, ob Werner Stoll als Resident gemeldet war; danach konnte ich immer noch fragen, ob er als selbständiger Architekt arbeitete oder in dem Büro Construcciones Fortesa angestellt war. Während ich meinen Spruch sagte, sah mich das Mädchen mit absolut leeren Augen an.
    Ich blätterte in meinen Wörterbuch und nahm einen neuen Anlauf: »Un senor aleman, nombre Werner Stoll, quisiera saber si el vive aqui…« Ich wußte, daß es schauderhaft klang und deutete auf die grauen Karteikästen.
    »Heh?« mehr sagte sie nicht.
    Auf einen Zettel schrieb ich in Druckbuchstaben den Namen Werner Stoll. Sie nahm den Zettel und brachte ihn zu dem älteren Mann, dessen Gesichtsfarbe der Farbe der Karteikästen glich. Womöglich handelte es sich um einen Fall von Anpassung, wie sie bei Beamten und sonst nur noch im Tierreich vorkam. Sein Knitteranzug, seine Knittermiene, nichts unterschied diesen mediterranen Ärmelschoner von seinen Knitterkollegen am Niederrhein. Der Unterschied bestand lediglich darin, daß ich in heimischen Gefilden Beziehungen hatte und solche Ermittlungen in zehn Minuten am Telefon erledigte.
    Der Mann schaute nicht in die Kartei, er schüttelte nur den Kopf. »No!«
    Das mürrische Mädchen überbrachte den Zettel und die Nachricht: »No!«
    Wo ich denn Informationen einholen könnte, es wäre sehr wichtig, beharrte ich.
    »Guardia Civil«, sagte sie. Zum erstenmal hatte sie zwei Wörter hintereinander gesagt. Sie wandte sich

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