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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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voll sein, und der Besitzer durfte auch gerade keinen Anspruch darauf erheben. Auf Allans und Herberts Kommando würden sich die bewachten Tore öffnen, und vor dem Hafen und dem Lagerareal würde natürlich niemand Unrat wittern. Niemand würde das gestohlene Auto vermissen, und niemand würde sie verfolgen. Und all das mussten sie überstehen, bevor sie auch nur in die Nähe ihrer richtigen Probleme kamen, zum Beispiel der Frage, wie sie es nach Nordkorea schaffen und vor allem sich dann in den Süden durchschlagen sollten.
    »Also, ich bin ja eher langsam von Begriff«, meinte Herbert, »aber mir kommt es so vor, als wäre dein Plan noch nicht ganz ausgereift.«
    »Du bist überhaupt nicht langsam von Begriff«, protestierte Allan. »Na ja, gut, ein bisschen vielleicht, aber mit deinem Einwand hast du vollkommen recht. Und je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr glaube ich, wir sollten alles so lassen, wie es ist. Du wirst sehen, es kommt, wie es kommt. So kommt es nämlich immer. Fast immer.«
    Der erste und einzige Teil des Fluchtplans bestand also darin, heimlich Feuer an einen passenden Container zu legen. Dafür brauchte man 1. einen passenden Container und 2. etwas, womit man Feuer legen konnte. Während sie darauf warteten, dass ein Schiff anlegte, das mit Ersterem beladen werden sollte, schickte Allan den bekanntermaßen doofen Herbert Einstein erneut mit einem Auftrag los. Und verdienstvollerweise konnte Herbert eine Leuchtrakete in seinen Besitz bringen, die er in seiner Hose versteckte, bevor eine sowjetische Wache ihn an einem Ort entdeckte, an dem sich Herbert definitiv nicht aufhalten durfte. Doch statt ihn hinzurichten oder zumindest zu leibesvisitieren, ließ die Wache die soundsovielte Strafpredigt vom Stapel, dass 133 nach fünf Jahren wohl mal aufhören könnte, sich ständig zu verlaufen. Herbert entschuldigte sich und trippelte unsicheren Schrittes davon. In die falsche Richtung, versteht sich, um das Schauspiel perfekt zu machen.
    »Zu deiner Baracke geht’s nach links , Einstein«, rief ihm der Mann hinterher. »Wie dumm kann ein Mensch eigentlich sein?«
    Allan belobigte Herbert für die gute Arbeit und seine Schauspielerei. Herbert errötete ob des Lobes, wehrte aber bescheiden ab mit der Begründung, es sei ja keine besondere Leistung, den Dummen zu spielen, wenn man tatsächlich dumm ist. Allan meinte, er wisse nicht, wie schwer das sei, denn die Dummköpfe, die er bis jetzt kennengelernt hatte, hätten grundsätzlich versucht, ihrer Umwelt das Gegenteil vorzuspielen.
    Schließlich schien der rechte Tag gekommen zu sein. Am 1. März 1953, einem kalten Morgen, kam ein Zug an, der mehr Waggons führte, als Allan – oder zumindest Herbert – zählen konnte. Es handelte sich ganz offensichtlich um einen militärischen Transport, und die gesamte Fracht sollte auf nicht weniger als drei Schiffe mit Bestimmungsland Nordkorea geladen werden. Acht T34-Panzer gehörten dazu, die ließen sich schwerlich verbergen, ansonsten war alles in massive Holzcontainer undeklarierten Inhalts verpackt. Doch zwischen den Holzbrettern war genug Abstand, um eine Leuchtrakete hindurchzuschieben. Und genau das tat Allan dann auch, als sich nach einem halben Arbeitstag endlich die Gelegenheit bot.
    Natürlich begann Rauch aus dem Container aufzusteigen, doch glücklicherweise dauerte es ein paar Sekunden, bevor er zu brennen anfing, sodass Allan sich weit genug entfernen konnte, um nicht unmittelbar verdächtig zu wirken. Wenig später stand die Kiste bereits in Flammen, da halfen auch die fünfzehn Grad minus nichts.
    Laut Plan sollte es losknallen, sobald das Feuer eine verpackte Handgranate oder Ähnliches erreichte. Dann würden die Wachen wie aufgescheuchte Hühner herumrennen, und Allan und Herbert konnten zu ihrer Baracke laufen, um sich umzuziehen.
    Das Dumme war nur, dass es einfach nicht losknallen wollte. Die Rauchentwicklung hingegen war heftig, und dann kam es noch schlimmer, da die Wächter, die selbst nicht in die Nähe der Kiste gehen wollten, den Gefangenen befahlen, den brennenden Container mit Wasser zu löschen.
    Daraufhin kletterten drei Gefangene im Schutz der Rauchwolken über den zwei Meter hohen Zaun, um die offene Seite des Hafens zu erreichen. Doch der Soldat in Wachtturm zwei entdeckte sie sofort. Er saß hinter seiner MG bereit und ließ eine Garbe nach der anderen auf die drei Sträflinge los. Da er Leuchtspurgeschosse einsetzte, hatte er binnen Kurzem alle drei getroffen, und

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