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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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er einen Gewehrkolben in den Magen, während es im allerschlimmsten Fall Danke und auf Wiedersehen hieß.
    Doch Herbert fand sich nach fünf Jahren immer noch nicht zwischen den Baracken zurecht. Die waren doch alle gleich braun und gleich groß – für ihn war das schrecklich verwirrend. Essen wurde immer zwischen Baracke dreizehn und vierzehn ausgegeben, aber Nummer 133 fand man dann gerne mal, wie er bei Baracke sieben umherirrte. Oder neunzehn. Oder fünfundzwanzig.
    »Verdammt noch mal, Einstein«, sagten die Wachen dann. »Die Essensschlange ist da hinten. Nein, nicht da! DA! Wo sie schon immer war, verflucht und zugenäht!«
    Allan dachte, dass Herbert und er von diesem Ruf durchaus profitieren könnten. Man konnte zwar in Gefangenenkleidung fliehen, aber in derselben Gefangenenkleidung länger als ein paar Minuten am Leben zu bleiben, das würde schon schwieriger werden. Allan und Herbert brauchten jeder eine Soldatenuniform. Und der einzige Gefangene, der sich den Kleiderkammern der Soldaten nähern konnte, ohne sofort erschossen zu werden, wenn man ihn entdeckte – das war Sträftling Nummer 133, Einstein.
    Daher gab Allan seinem Freund genaue Anweisungen, was er tun sollte. Sobald es Essen gab, musste er sich »verlaufen«. Zu dem Zeitpunkt hatte ja auch das Personal in der Kleiderkammer Mittagspause. Während dieser halben Stunde wurde die Kleiderkammer nur vom Soldaten an der MG in Wachtturm vier bewacht. Doch der wusste wie alle anderen auch von den Eigenheiten des Gefangenen 133, und wenn er Herbert entdeckte, würde er ihm eher etwas zubrüllen, als ihm eine Ladung Blei zu verpassen. Nun, und falls Allan sich darin täuschte, war das ja auch kein Weltuntergang für Herbert mit seinem nicht nachlassenden Todeswunsch.
    Herbert fand, dass Allan sich das ganz toll ausgedacht hatte. Aber – was genau musste er jetzt noch mal machen?
    Natürlich ging alles schief. Herbert verlief sich nämlich wirklich und landete daher zum ersten Mal seit Langem ganz richtig in der Essensschlange. Dort stand schon Allan, der aufseufzte und Herbert Richtung Kleiderkammer schubste. Doch das half auch nichts, denn Herbert verirrte sich erneut, und bevor er wusste, wie ihm geschah, stand er in der Waschküche. Und was fand er dort? Einen ganzen Stapel frisch gewaschene, frisch gebügelte Soldatenuniformen!
    Er griff sich zwei, versteckte sie unter seiner Jacke und trat wieder hinaus. Wie nicht anders zu erwarten, wurde er sofort vom Soldaten in Wachtturm vier entdeckt, der sich aber gar nicht erst die Mühe machte, den Gefangenen anzubrüllen. Außerdem kam es ihm so vor, als wäre der Trottel tatsächlich mal auf dem richtigen Weg zu seiner Baracke.
    »Sensationell«, murmelte er, um sich dann wieder seinen Tagträumen hinzugeben.
    Jetzt hatten Allan und Herbert also jeder eine Uniform, die jedem sagte, dass es sich hier um stolze Rekruten der Roten Armee handelte. Nur der Rest musste noch organisiert werden.
    In letzter Zeit war Allan aufgefallen, dass wesentlich mehr Schiffe als früher ins nordkoreanische Wonsan fuhren. Die Sowjetunion beteiligte sich an diesem Krieg offiziell zwar nicht auf der Seite Nordkoreas, aber es trafen immer mehr Waffenlieferungen mit dem Zug in Wladiwostok ein, um hier auf Schiffe verladen zu werden, die alle dasselbe Ziel hatten. Es stand zwar nicht drauf, wohin sie fuhren, aber manche Seeleute schwatzten gerne mal, und Allan wusste zu fragen. In manchen Fällen sah man sogar, woraus die Fracht bestand, zum Beispiel aus Geländefahrzeugen oder sogar Panzern, in anderen Fällen aber auch einfach nur aus neutralen Holzcontainern.
    Allan hatte sich ein Ablenkungsmanöver überlegt, das dem in Teheran vor sechs Jahren nicht ganz unähnlich war. In Übereinstimmung mit der alten römischen Weisheit, dass der Schuster bei seinen Leisten bleiben sollte, dachte sich Allan, dass ein bisschen Feuerwerk wohl seinen Zweck erfüllen dürfte. Und da kamen die Container mit Bestimmungsort Wonsan ins Spiel. Er wusste es zwar nicht mit Sicherheit, aber er ahnte, dass einige von ihnen explosives Material enthielten, und wenn so ein Container im Hafen Feuer fing und es daraufhin hie und da zu unkontrollierten Explosionen kam, dann … ja, dann hätten Herbert und er vielleicht genug Spielraum, sich um die Ecke zu schleichen, die sowjetischen Uniformen anzuziehen … und … na ja, dann mussten sie sich ein Auto besorgen … und bei dem musste natürlich der Schlüssel im Zündschloss stecken und der Tank

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