Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
servierte die Schöne Frau Bier und Gammeldansk-Magenbitter. Die Gäste hatten Hunger, aber zuerst wollten sie wissen, was für ein Tier sie da im Stall gehört hatten.
»Das war Sonja«, sagte die Schöne Frau. »Mein Elefant.«
»Dein Elefant?«, echote Julius.
»Dein Elefant?«, echote Allan.
»Ich hab mir doch gleich gedacht, dass mir das Geräusch bekannt vorkommt«, behauptete Benny.
Der ehemalige Imbissbudenbetreiber hatte sich auf den ersten Blick verliebt. Auch jetzt, auf den zweiten Blick, hatte sich daran nichts geändert. Die unablässig fluchende rothaarige Frau mit dem üppigen Busen kam ihm vor wie einem Paasilinna-Roman entstiegen! Der Finne hatte zwar noch nie über Elefanten geschrieben, aber das war sicher nur noch eine Frage der Zeit, glaubte Benny.
Eines frühen Morgens im vergangenen August hatte der Elefant einfach im Garten der Schönen Frau gestanden und Äpfel geklaut. Hätte er sprechen können, hätte er vielleicht erzählt, dass er den Abend zuvor aus einem Zirkus in Växjö ausgebrochen war, um sich etwas zu trinken zu suchen, denn sein Pfleger war aus demselben Grund in die Stadt gefahren, statt seiner Arbeit nachzukommen.
In der Abenddämmerung hatte das Tier den Helgasee erreicht und beschlossen, nicht nur seinen Durst zu stillen, sondern auch gleich ein schönes, kühles Bad zu nehmen. Also watete es in das flache Wasser.
Aber dann war es plötzlich doch nicht mehr so flach, und der Elefant war plötzlich auf seine angeborene Schwimmfähigkeit angewiesen. Im Allgemeinen denken Elefanten nicht so logisch wie Menschen, und dieser Elefant trat auch gleich den Beweis an: Er drehte nämlich nicht um, um nach vier Metern wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, sondern beschloss, die zweieinhalb Kilometer bis zur anderen Seite des Sees zu schwimmen.
Diese Elefantenlogik hatte zwei Konsequenzen: Erstens wurde der Elefant von den Zirkusleuten und der Polizei für tot erklärt, nachdem sie die Spuren des Elefanten bis zum See verfolgt hatten, wo sie im fünfzehn Meter tiefen Wasser verschwanden. Zweitens verirrte sich der höchst lebendige Elefant im Schutze der Dunkelheit in den apfelbaumbestandenen Garten der Schönen Frau, ohne dass ihn ein Mensch beobachtet hätte.
Die Schöne Frau hatte natürlich keine Ahnung von oben genannten Umständen, konnte sich die Geschichte aber im Nachhinein zusammenreimen, als sie in der Lokalzeitung von dem verschwundenen und für tot erklärten Elefanten las. Die Schöne Frau dachte sich, dass in dieser Gegend und zu diesem Zeitpunkt wohl nicht allzu viele Elefanten frei herumliefen, sodass es sich bei dem toten Elefanten und dem höchst lebendigen Tier in ihrem Garten um ein und dasselbe Exemplar handeln dürfte.
Die Schöne Frau gab dem Elefanten erst mal einen Namen. Die Wahl fiel auf »Sonja«, nach ihrem Idol, der wuchtigen Jazzsängerin Sonya Hedenbratt. In den nächsten Tagen musste sie zwischen Sonja und dem Schäferhund Buster vermitteln, bis die beiden sich miteinander vertraut gemacht hatten und sich vertrugen.
Es folgte ein Winter, in dem sie permanent auf der Suche nach Futter für die arme Sonja war, die eben so fraß, wie es einem Elefanten zukommt. Passenderweise hatte der Vater der Schönen Frau gerade das Zeitliche gesegnet und hinterließ seiner einzigen Tochter ein Erbe von einer Million Kronen – als er vor zwanzig Jahren in den Ruhestand ging, hatte er nämlich seine gut gehende Bürstenbinderei verkauft und sein Geld danach klug verwaltet. Daher hängte die Schöne Frau ihren Job am Empfang der Poliklinik in Rottne an den Nagel, um fortan als Vollzeitmutter für Hund und Elefant da zu sein.
Dann wurde es Frühling, Sonja konnte sich wieder von Gras und Laub ernähren, und dann tauchte dieser Mercedes auf dem Hof auf, der erste Besuch überhaupt, seit der selig entschlafene Papa vor zwei Jahren seine Tochter zum letzten Mal besucht hatte. Die Schöne Frau erklärte, dass sie für gewöhnlich nicht zu sehr mit dem Schicksal haderte, daher fiel es ihr auch nicht ein, Sonja vor den fremden Besuchern zu verheimlichen.
Allan und Julius schwiegen und ließen die Erzählung der Schönen Frau auf sich wirken, doch Benny sagte:
»Aber warum hat Sonja denn so gebrüllt? Ich bin sicher, ihr tut was weh!«
Die Schöne Frau riss verblüfft die Augen auf:
» Wie zum Henker hast du das denn rausgehört?«
Benny antwortete nicht gleich. Stattdessen nahm er einen ersten Bissen von seinem Essen, um sich ein bisschen
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