Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
Benny also im Büro des Rechtsanwalts ein und erfuhren, dass die Brüder eine bedeutende Geldsumme unbekannter Höhe erwartete, sobald sie beide das Gymnasium und eine anschließende Ausbildung abgeschlossen hatten.
Doch damit nicht genug: Die Brüder sollten während ihrer Ausbildung durch den treuhänderisch waltenden Anwalt ordentliche Unterhaltszahlungen erhalten. Brachen sie ihre Ausbildung jedoch ab, würde das Stipendium gestrichen, und sobald einer von ihnen seine Ausbildung abgeschlossen hatte und sich selbst versorgen konnte, würden die Zahlungen an denjenigen ebenfalls eingestellt. Es stand noch einiges mehr in diesem Testament, ein paar mehr oder weniger lästige Details, aber im Wesentlichen lief es darauf hinaus, dass die Brüder reich sein würden, wenn alle beide ihre Ausbildung abgeschlossen hatten.
Bosse und Benny meldeten sich sofort zu einem siebenwöchigen Schweißerkurs an und bekamen die Bestätigung vom Anwalt, dass damit die erste Bedingung des Testaments erfüllt war, »obwohl ich vermute, dass Ihr Onkel Frank vielleicht doch etwas Höheres im Auge hatte«.
Doch bevor der Kurs halb absolviert war, geschah zweierlei: Erstens hatte Benny es ein für alle Mal satt, dass sein großer Bruder ständig sein Mütchen an ihm kühlte. So war es jahrelang gelaufen, aber jetzt hielt er den Zeitpunkt für gekommen, seinem Bruderherz mal zu erklären, dass sie beide auf dem besten Wege waren, erwachsen zu werden, und Bosse sich also gefälligst jemand anders zum Schikanieren suchen sollte.
Zweitens kam Benny zu der Erkenntnis, dass er gar kein Schweißer werden wollte und sein Talent für diese Tätigkeit so mäßig war, dass er den Kurs gar nicht zu Ende bringen wollte.
Daraufhin überwarfen sich die Brüder eine Weile, bis Benny sich an der Universität Stockholm in einem Botanikstudium einschreiben konnte. Nach Ansicht des Anwalts konnte das Testament nicht anders gedeutet werden, als dass auch ein Wechsel der Ausbildungsstätte völlig in Ordnung war, solange es nicht zu Unterbrechungen kam.
So war Bosse bald fertig mit seiner Schweißerausbildung, bekam aber keine Öre von Onkel Frasses Geld, weil sein Bruder Benny immer noch studierte. Außerdem stellte der Anwalt umgehend die monatlichen Zahlungen an Bosse ein, in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Testaments.
Daraufhin entzweiten sich die Brüder ernsthaft. Nachdem Bosse eines Nachts im Rausch Bennys schöne neue 125-Kubik-Maschine kaputt geschlagen und getreten hatte (die sich sein Bruder von seinem großzügig bemessenen Studienzuschuss gekauft hatte), war es vorbei mit der Bruderliebe und jeglichen Rücksichten.
Bosse begann Geschäfte ganz im Geiste von Onkel Frasse zu machen, wenngleich ihm das Talent seines Onkels abging. Nach einer Weile zog er nach Västergötland, teils, um einen Neuanfang bei seinen Geschäften zu machen, teils, um seinem verdammten Bruder nicht mehr über den Weg laufen zu müssen. Unterdessen studierte Benny an der Universität weiter, Jahr um Jahr. Die monatlichen Zahlungen waren ja nicht zu verachten, und indem er immer kurz vor dem Examen das Studienfach wechselte, konnte Benny sehr gut leben, während sein tyrannischer Idiot von einem Bruder weiter auf sein Geld warten musste.
Und so machte Benny geschlagene dreißig Jahre weiter, bis sich der mittlerweile hochbetagte Anwalt meldete und ihm mitteilte, dass das Erbe jetzt aufgezehrt sei, dass es keine monatlichen Zahlungen mehr geben würde und natürlich auch kein Geld mehr zum Verteilen übrig sei. Kurz und gut, die Brüder könnten ihr Erbe in den Wind schreiben, teilte der Anwalt mit, der mittlerweile neunzig war und vielleicht sogar zum Großteil für dieses Testament weitergelebt hatte, denn wenige Wochen später verstarb er in seinem Fernsehsessel.
Das Ganze war vor ein paar Monaten passiert, und so war Benny plötzlich gezwungen gewesen, sich eine Arbeit zu suchen. Aber einer der bestausgebildeten Menschen von ganz Schweden konnte auf dem Arbeitsmarkt keinen Blumentopf gewinnen, weil man nicht nach dem Rekord an Studienjahren fragte, sondern nach den Ergebnissen , die man nach diesen Studien vorzuweisen hatte. Benny hatte mindestens zehn höhere Examina beinahe abgelegt, und nun musste er zum Schluss doch in eine Imbissbude investieren, damit er überhaupt eine Beschäftigung hatte. Benny und Bosse hatten übrigens noch einmal Kontakt miteinander gehabt, als der Anwalt ihnen nämlich Mitteilung machte, dass das Erbe jetzt aufstudiert sei. Die
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