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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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sollte, daher sorgte er meistens dafür, dass die zu sprengende Brücke leer war, wenn es knallte. Wie zum Beispiel auch die allerletzte Brücke vor Kriegsende. Doch gerade als er diesmal mit seinen Vorbereitungen fertig war und ins Gebüsch zurückkroch, kam eine feindliche Patrouille daher, in Begleitung eines mit unzähligen Orden behangenen Herrn. Sie kamen von der anderen Seite und schienen keine Ahnung zu haben, dass sich die Republikaner in unmittelbarer Nähe befanden, geschweige denn, dass sie selbst gerade auf bestem Wege waren, Estebán und Tausenden anderer Spanier in der Ewigkeit Gesellschaft zu leisten.
    Da beschloss Allan, dass es jetzt mal genug war. Er stand also aus dem Gebüsch auf, in dem er Deckung gesucht hatte, und begann mit den Armen zu fuchteln.
    »Gehen Sie da weg!«, schrie er dem Ordenbehangenen und seinen Begleitern zu. »Schnell, verschwinden Sie, bevor Sie in die Luft fliegen!«
    Der kleine Ordenbehangene wich erschrocken zurück, doch seine Begleiter nahmen ihn in die Mitte und schleiften ihn über die Brücke, bis sie bei Allans Gebüsch angekommen waren. Dort richteten sich acht Gewehre auf den Schweden, und mindestens eines davon wäre mit Sicherheit abgefeuert worden, wäre nicht plötzlich die Brücke hinter ihnen in die Luft geflogen. Die Druckwelle warf den kleinen Ordenbehangenen in Allans Gebüsch, und in dem ganzen Tumult wagte keiner eine Kugel auf Allan abzufeuern, denn man hätte dabei nur zu leicht den Falschen treffen können. Außerdem schien er ja Zivilist zu sein. Als sich die Staubwolken legten, war schon nicht mehr die Rede davon, Allan zu erschießen. Der kleine Ordenbehangene ergriff Allans Hand und erklärte, dass ein echter General wisse, wie man sich erkenntlich zeigt, und dass sich die Gruppe jetzt wohl besser auf die andere Seite zurückziehen sollte, mit oder ohne Brücke. Wenn sein Retter mitkommen wolle, sei er mehr als willkommen, denn am Ziel würde der General ihn zu gern zum Essen einladen.
    »Paella Andaluz«, sagte der General. »Mein Koch kommt nämlich aus dem Süden. ¿Comprende? «
    O ja, das verstand Allan. Ihm war außerdem klar, dass er wohl gerade dem generalísimo höchstpersönlich das Leben gerettet hatte und dass es ihm wohl zum Vorteil gereichte, hier in seinem dreckigen Zivilanzug zu stehen statt in republikanischer Uniform. Ihm war klar, dass seine Freunde auf dem hundert Meter entfernten Hügel das Ganze durch ihre Ferngläser verfolgten, und ihm war auch klar, dass es im Interesse der eigenen Gesundheit wohl das Beste war, wenn er die Seiten wechselte in diesem Krieg, dessen Sinn und Zweck sich ihm im Grunde nie ganz erschlossen hatte.
    Außerdem hatte er Hunger.
    » Sí, por favor, mí general «, sagte Allan. So eine Paella käme ihm jetzt wirklich gelegen. Und dazu vielleicht sogar ein Glas Rotwein? Oder zwei?
    * * * *
    Vor zehn Jahren hatte Allan sich als Sprengstofftechniker in einer Rüstungsfabrik in Hälleforsnäs beworben. Damals hatte er beschlossen, gewisse Einzelheiten aus seinem Lebenslauf zu unterschlagen, zum Beispiel die Tatsache, dass er vier Jahre im Irrenhaus gesessen und anschließend sein eigenes Haus in die Luft gesprengt hatte. Vielleicht war sein Einstellungsgespräch gerade deswegen so erfolgreich verlaufen.
    Daran dachte Allan, während er mit General Franco plauderte. Einerseits sollte man ja nicht lügen. Andererseits dürfte es ihm in seiner Situation kaum zugutekommen, wenn er dem General verriet, dass er selbst den Sprengsatz unter der Brücke gelegt hatte und seit drei Jahren einen zivilen Posten in der republikanischen Armee innehatte. Er fürchtete sich zwar nicht, aber nun standen eben doch ein Abendessen und ein nettes kleines Trinkgelage auf dem Spiel. Für eine Mahlzeit und etwas Schnaps konnte man die Wahrheit schon mal kurzfristig unter den Tisch fallen lassen, entschied Allan, und log dem General die Hucke voll.
    Er behauptete, er habe sich auf der Flucht vor den Republikanern im Gebüsch versteckt und beobachtet, wie die Sprengladung gelegt wurde. Gott sei Dank, denn sonst hätte er den General ja nicht warnen können.
    In Spanien und mitten in diesem Krieg sei er nur gelandet, weil ihn ein Freund mitgenommen habe, ein Mann mit engen Verbindungen zum jüngst verstorbenen Primo de Rivera. Doch seit sein Freund durch eine feindliche Granate ums Leben gekommen war, habe Allan sich alleine durchkämpfen müssen.
    Dann wechselte er rasch das Thema und erzählte stattdessen, dass sein Vater ein

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