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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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9. KAPITEL
1939–1945
    Am 1. September 1939 lief Allans unter spanischer Flagge fahrendes Schiff im Hafen von New York ein. Er hatte sich das Land im Westen eigentlich nur mal kurz ansehen wollen, um dann den nächsten Dampfer zurück zu nehmen, doch am selben Tag spazierte einer von den Kumpels des generalísimo in Polen ein, und schon war der Krieg in Europa wieder in vollem Gange. Das unter spanischer Flagge fahrende Schiff wurde erst mit einem Auslaufverbot belegt, dann beschlagnahmt und diente schließlich bis zum Friedensschluss im Jahre 1945 der U. S. Navy.
    Sämtliche Männer an Bord wurden zur Einwanderungsbehörde auf Ellis Island geschleust. Dort legte der Beamte jedem Mann dieselben vier Fragen vor: 1. Name? 2. Staatsangehörigkeit? 3. Beruf? 4. Zweck des Aufenthalts in den Vereinigten Staaten von Amerika?
    Allans Kameraden gaben alle an, dass sie Spanier waren, einfache Matrosen, die nach Beschlagnahmung ihres Schiffes nicht wussten, wo sie hinsollten. Daraufhin ließ man sie ohne größere Umstände einreisen, sollten sie selbst sehen, wie sie zurechtkamen.
    Doch Allan unterschied sich von den anderen. Erstens dadurch, dass er einen Namen hatte, den der spanische Dolmetscher nicht aussprechen konnte. Zweitens dadurch, dass er aus Suecia stammte. Und vor allem dadurch, dass er wahrheitsgemäß erklärte, er sei Sprengstoffexperte, der seine Erfahrungen im eigenen Unternehmen, in der Rüstungsindustrie und zuletzt beim Krieg zwischen Spaniern und Spaniern gesammelt habe.
    Darauf zückte Allan den Brief von General Franco. Der spanische Dolmetscher übersetzte ihn erschrocken dem Beamten, der sofort seinen Vorgesetzten anrief, woraufhin dieser sofort seinen Vorgesetzten anrief.
    Man beschloss, den faschistischen Schweden unverzüglich dorthin zurückzuschicken, woher er gekommen war.
    »Wenn Sie mir nur ein Schiff organisieren würden, dann bin ich gleich wieder weg«, versprach Allan.
    Das war allerdings gar nicht so einfach. Stattdessen ging das Verhör weiter. Und je mehr der ranghöchste Beamte der Einwanderungsbehörde aus Allan herausbekam, umso unfaschistischer kam ihm dieser Schwede vor. Er war auch kein Kommunist. Oder Nationalsozialist. Sondern rein gar nichts, wie es schien – außer Sprengstoffexperte. Und seine Erzählung, wie er mit General Franco Brüderschaft getrunken hatte, war so absurd, so etwas konnte man sich ja fast nicht ausdenken.
    Der ranghöchste Beamte hatte einen Bruder in Los Alamos, New Mexico, und soweit er wusste, beschäftigte der sich im Auftrag des Militärs mit Bomben und Ähnlichem. In Ermangelung besserer Ideen sperrte man Allan vorerst ein, und der Beamte besprach die Angelegenheit mit seinem Bruder, als sie sich zu Thanksgiving im Elternhaus in Connecticut trafen. Der Bruder meinte, er sei zwar nicht unbedingt begeistert, einen potenziellen Franco-Anhänger an der Backe zu haben, aber andererseits konnten sie da unten jeden Experten brauchen, und er würde schon eine einigermaßen unqualifizierte und nicht allzu geheime Tätigkeit für diesen Schweden auftreiben, wenn er dem Bruder damit einen Gefallen tat.
    Und ob er ihm damit einen Gefallen tue, antwortete der Chef der Einwanderungsbehörde, und dann ließen sich die Brüder erst mal den Truthahn schmecken.
    Wenig später durfte Allan zum ersten Mal fliegen und kam im Spätherbst 1939 zur amerikanischen Militärbasis in Los Alamos, wo man schnell feststellte, dass Allan kein Wort Englisch sprach. Ein Lieutenant, der des Spanischen mächtig war, wurde beauftragt herauszufinden, wie gut sich der Schwede auf seinem Fachgebiet auskannte, und Allan musste ihm seine Formeln aufschreiben. Der Lieutenant ging die Notizen durch und fand den Schweden im Grunde ganz schön einfallsreich. Aber er seufzte auch und meinte, dass Allans Sprengsätze kaum hinreichten, ein Auto in die Luft zu jagen.
    »Doch, doch«, versicherte Allan. »Sogar mitsamt Großhändler. Das hab ich schon unter Beweis gestellt.«
    Allan durfte also bleiben. Zunächst in der abgelegensten Baracke, aber während die Monate und Jahre ins Land gingen und er Englisch lernte, fielen nach und nach die Beschränkungen seiner Bewegungsfreiheit. Als besonders aufmerksamer Assistent lernte Allan tagsüber, wie man Sprengsätze von ganz anderen Dimensionen baute als die, die er sonntags immer in der Kiesgrube hinter seiner Hütte abgefeuert hatte. Und abends, wenn die jungen Männer aus der Los-Alamos-Basis in die Stadt

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