Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
zweifelte man an Chiang Kai-sheks militärischer Strategie. Ganz offensichtlich hatte Chiang Kai-shek sich darauf eingeschossen, die Städte zu kontrollieren, während er zuließ, dass sich auf dem Land der Kommunismus ungehindert ausbreitete. Den Kommunistenführer Mao Tse-tung könnten die amerikanischen Agenten sicher schnell eliminieren, doch es bestand die Gefahr, dass sich seine Ideen in den Köpfen der Bevölkerung festsetzten. Sogar Chiang Kai-sheks Frau, die allzu nervige Song Meiling, begriff, dass man hier etwas unternehmen musste. Sie verfolgte in dieser Sache sogar eine komplett andere militärische Strategie als ihr Mann.
Der Präsident erklärte ihm, wie diese alternative Strategie aussah, doch Allan hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Stattdessen sah er sich zerstreut im Oval Office um, überlegte, ob die Fenster wohl schusssicher waren, dachte nach, wohin die Tür auf der linken Seite wohl führen mochte, und kam zu dem Schluss, dass dieser riesige Teppich im Bedarfsfall wahrscheinlich ganz schön schwer zu waschen war … Schließlich sah er sich gezwungen, den Präsidenten zu unterbrechen, bevor er ihm Kontrollfragen stellte, um zu sehen, ob Allan auch begriffen hatte, worum es ging.
»Entschuldige, Harry, aber was soll ich denn nun eigentlich für dich tun?«
»Also, wie gesagt, es geht darum, die Tätigkeit der Kommunisten auf dem Land …«
»Was soll ich dabei tun?«
»Song Meiling drängt auf verstärkte Unterstützung mit amerikanischer Rüstungstechnik, und sie möchte, dass die bereits geleisteten Waffenlieferungen vervollständigt werden.«
»Und was soll ich dabei tun?«
Als Allan seine Frage zum dritten Mal gestellt hatte, verstummte der Präsident, als müsste er innerlich Anlauf nehmen, bevor er fortfuhr:
»Ich will, dass du nach China fährst und Brücken sprengst.«
»Warum sagst du das denn nicht gleich?« Allans Miene hellte sich schlagartig auf.
»So viele Brücken wie möglich. Du sollst den Kommunisten so viele Wege abschneiden, wie du nur kannst.«
»Prima, dann lerne ich wieder ein neues Land kennen«, sagte Allan.
»Ich will, dass du Song Meilings Männer in der Kunst des Brückensprengens unterweist und dass …«
»Wann geht’s los?«
* * * *
Auch wenn Allan Sprengstoffexperte war und sich bei einem Tequilagelage im Handumdrehen mit dem amerikanischen Präsidenten angefreundet hatte, so war er doch trotz allem noch Schwede . Hätte er sich auch nur im Geringsten für Politik interessiert, hätte er den Präsidenten vielleicht gefragt, warum ausgerechnet er für diesen Auftrag ausgewählt worden war. Tatsächlich war der Präsident auf diese Frage vorbereitet, und wäre sie ihm gestellt worden, hätte er wahrheitsgemäß geantwortet, dass die USA nicht gut zwei parallele, einander potenziell zuwiderlaufende militärische Projekte in China betreiben konnten. Offiziell unterstützte man Chiang Kai-shek und seine Kuomintang-Partei. Jetzt machte man die Unterstützung stillschweigend komplett, indem man eine ganze Schiffsladung mit Ausrüstung für Brückensprengungen in großem Stil schickte, angefordert von Chiang Kai-sheks Frau, der schönen, schlangengleichen (wie der Präsident fand), halb amerikanisierten Song Meiling. Und das Schlimmste war, Truman konnte nicht ausschließen, dass das Ganze bei einer Tasse Tee zwischen Song Meiling und Eleanor Roosevelt ausgemacht worden war. Du liebe Güte, da hatte man sich ja was Schönes eingebrockt. Jetzt musste der Präsident nur noch Allan Karlsson und Song Meiling zusammenbringen, dann war die Sache für ihn aus der Welt.
Die nächste Angelegenheit, die er auf dem Schreibtisch hatte, war nur noch eine reine Formsache, denn den Beschluss hatte er innerlich schon längst gefasst. Nichtsdestoweniger musste er jetzt sozusagen noch aufs Knöpfchen drücken. Auf einer Insel östlich der Philippinen wartete die Besatzung einer B-52 nur noch auf grünes Licht vonseiten des Präsidenten. Alle Tests waren abgeschlossen. Es konnte nichts mehr schiefgehen.
Der folgende Tag war der 6. August 1945.
* * * *
Allan Karlssons Freude darüber, dass endlich etwas Neues in seinem Leben geschah, wurde sofort wieder etwas getrübt, als er Song Meiling kennenlernte. Allan war angewiesen worden, sie in einer Hotelsuite in Washington aufzusuchen. Nachdem er sich durch mehrere Reihen Leibwachen gekämpft hatte, stand er vor der betreffenden Dame, reichte ihr die Hand und sagte:
»Guten Tag, gnädige Frau, ich heiße Allan
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