Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
jetzt die kalte Schulter und ließen sie mit Korruption, galoppierender Inflation und Hungersnöten allein. All das spielte natürlich Mao Tse-tung in die Hände. Schließlich mussten Chiang Kai-shek, Song Meiling und ihr Hofstaat nach Taiwan fliehen. Festlandchina wurde kommunistisch.
12. KAPITEL
Montag, 9. Mai 2005
Den Freunden auf Sjötorp war endgültig klar geworden, dass sie dringend ihren Bus besteigen und verschwinden mussten. Doch zuvor hatten sie noch ein paar eilige Angelegenheiten zu erledigen.
Die Schöne Frau zog Regenmantel, Mütze und Gummihandschuhe an und holte den Gartenschlauch, um die Überreste des kleinen Gauners abzuspülen, den Sonja breit gesessen hatte. Vorher wand sie dem Toten allerdings den Revolver aus der rechten Hand und legte ihn vorsichtig auf die Veranda (wo sie ihn prompt vergaß). Die Mündung drehte sie so, dass sie auf eine dicke Fichte in vier Meter Entfernung zeigte – man konnte ja nie wissen, wann so ein Apparat einfach mal losging.
Nachdem sie Humpen von Sonjas Scheiße gereinigt hatte, schoben Julius und Benny ihn unter den Rücksitz seines eigenen Ford Mustang. Da hätte er sonst bestimmt nicht druntergepasst, doch jetzt war er ja hübsch geplättet.
Dann setzte sich Julius ans Steuer des Mustang und fuhr los, gefolgt von Benny im Passat der Schönen Frau. Sie wollten sich einen einsamen Ort suchen, der weit genug von Sjötorp entfernt war, um dort das Auto des Ganoven mit Benzin zu übergießen und anzuzünden – wie es eben richtige Gangster in dieser Situation gemacht hätten.
Doch dazu brauchten sie erst einen Kanister und dann auch noch Benzin, um ihn zu befüllen. Also hielten Julius und Benny an einer Tankstelle am Sjösåsvägen in Braås. Benny ging hinein, um zu besorgen, was sie brauchten, während Julius sich etwas zum Naschen kaufen wollte.
Ein nagelneuer Ford Mustang mit V8-Motor mit über 300 PS vor einer Tankstelle in Braås ist ungefähr genauso sensationell, als würde eine Boeing 747 auf dem Sveavägen in Stockholm herumstehen. Humpens kleiner Bruder und einer seiner Kollegen von The Violence einigten sich in Sekundenschnelle auf die Carpe-diem-Strategie: Der kleine Bruder sprang in den Mustang, während sein Kumpel den mutmaßlichen Besitzer im Auge behielt, der gerade drinnen neben der Kasse im Süßigkeitenregal kramte. Was für ein Fang! Und was für ein Trottel! Wer lässt denn bitte bei so einem Auto die Zündschlüssel stecken?!
Als Benny und Julius wieder herauskamen – der eine mit einem noch nicht befüllten Benzinkanister, der andere mit einer Zeitung unter dem Arm und dem Mund voller Bonbons –, war der Mustang weg.
»Hatte ich das Auto nicht hier geparkt?«, fragte Julius.
»Doch, das hattest du hier geparkt«, bestätigte Benny.
»Haben wir jetzt ein Problem?«, fragte Julius.
»Ja, jetzt haben wir ein Problem«, bestätigte Benny.
Dann fuhren sie mit dem ungestohlenen Passat zurück nach Sjötorp. Der leere Kanister war immer noch leer. Aber das war ja jetzt auch schon egal.
* * * *
Der Mustang war schwarz mit hellgelben Rallyestreifen. Ein richtiges Prachtexemplar, für das Humpens kleiner Bruder und seine Kumpels ordentlich abkassieren würden. Der Diebstahl war ebenso spontan wie problemlos gewesen. Keine fünf Minuten nach dem ungeplanten Coup stand das Auto schon sicher bei The Violence in der Garage.
Tags drauf tauschte man das Kennzeichen aus. Der kleine Bruder ließ einen seiner Handlanger mit dem Auto zu den Geschäftspartnern in Riga fahren und mit dem Schiff wieder zurückkommen. Normalerweise sorgten die Letten dann mit Hilfe falscher Nummernschilder und Dokumente dafür, dass das Auto als Privatimport an ein Mitglied von The Violence zurückging, und schon war aus einem gestohlenen Auto ein legales Gefährt geworden.
Doch ausgerechnet dieses Mal lief es anders, denn während das Auto aus Schweden in der Garage in Ziepniekkalns am südlichen Stadtrand von Riga stand, begann es ganz grauenvoll zu stinken. Der Chef der Werkstatt ging der Sache auf den Grund und entdeckte eine Leiche unter dem Rücksitz. Er fluchte das Blaue vom Himmel herunter und entfernte dann gründlich alles, was irgendwie die Herkunft dieses Wagens verraten könnte. Danach drosch er auf den wunderschönen Mustang ein, bis das Auto total verbeult war und völlig wertlos aussah. Dann fand und bestach er einen Säufer, der das Wrack für vier Flaschen Wein zum Schrotthändler fuhr, wo es komplett verschrottet werden sollte – Leiche
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