Der Hundertjaehrige Krieg
und die Rechnungskammer für aufgelöst erklärte und beide Institutionen in Troyes von einem burgundischen Verwaltungsstab neu einrichten ließ. Dadurch wurde die Lage der Armagnacs in Paris kritisch, und in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 1418 öffneten burgundisch gesinnte Bürgereines der Mauertore, so daß Johann die Stadt besetzen konnte. Der Thronfolger Karl entkam noch rechtzeitig, während seine Anhänger in den nächsten Wochen brutal verfolgt und viele von ihnen ermordet wurden, darunter Graf Bernhard von Armagnac.
Grabplatte des Sir George Felbrigg in der Kirche von Playford/Suffolk (spätes 14. Jahrhundert)
Die in England überaus zahlreich verbreiteten gravierten Messingplatten
(brasses)
über Adelsgräbern sind erstrangige Quellen für zeitgenössische Bewaffnung und Heraldik. Sir George gehörte zum Gefolge Eduards III. und trägt einen vollständigen Plattenpanzer, der nur an den Arm- und Kniegelenken noch die ältere Kettengliedrüstung
(maille)
zeigt. Über dem kurzen, betont eng geschnittenen Wappenrock
(jupon)
sitzt ein sehr tief angebrachter Gürtel mit Dolch und Schwert.
Dieser dritte Gewaltausbruch innerhalb weniger Jahre brachte Paris um seinen Ruf als Wirtschaftsmetropole. Die großen italienischen Bankhäuser zogen ihre Filialen aus der gefährlichen Stadt ab, deren Kaufmannschaft ebenso dezimiert worden war wie die Handwerkerkorporationen; viele Handelshäuser, Werkstätten und Betriebsvermögen waren vernichtet. Aber auch keine der Bürgerkriegsparteien fühlte sich in der Hauptstadt mehr sicher, so daß der Thronfolger mit seiner Armagnac-Regierung in Bourges residierte, Isabeau mit dem kranken König in Troyes. Diese Polarisierung des Landes schlug dem Herzog von Burgund freilich bald zum Nachteil aus. Den damals fünfzehnjährigen Thronfolger bedachten seine Berater mit dem Titel des Regenten von Frankreich und begründeten in Poitiers ein Parlement für die gesamte Monarchie, in Bourges eine Rechnungskammer, die im Namen Karls Einnahmen erwirtschaften konnte, weil außer dem Dauphiné und der reichen Stadt Lyon die Touraine und das Land um Bourges zu ihm hielten, ferner Auvergne, Berry, Bourbonnais und Languedoc; dazu konnte er sicher auf die Häuser Anjou und Orléans zählen, die nicht nur ihre Stammlande beherrschten, sondern auch nördliche Gebiete zwischen Aisne und Oise, von denen aus sie schon im Sommer 1418 und im Frühjahr 1419 Meaux, Compiègne und Soissons für ihren künftigen König Karl VII. eroberten.
Im Januar 1419 hatte Heinrich V. Rouen eingenommen und daraufhin mit beiden der französischen Parteien Bündnisverhandlungen eingeleitet, die sich über mehrere Monate hinzogen und schließlich an territorialen Forderungen des englischen Königs scheiterten, denen weder der Herzog von Burgund noch die Berater des Thronfolgers zustimmen mochten. Diese Eintracht in der Ablehnung regte zur Suche nach weiteren Übereinstimmungen zwischen Bourguignons und Armagnacs an, so daß ein Angriff Heinrichs V. auf das unweit von Paris gelegene Pontoisezur Verabredung einer persönlichen Begegnung zwischen dem Thronfolger und Johann Ohnefurcht führte. Auf Anregung Karls fand das Treffen am 10. September 1419 in Montereau statt, 88 Kilometer südöstlich von Paris an der Mündung der Yonne in die Seine. Mittelalterlichem Verhandlungsbrauch folgend wählte man die Brücke über den Flußlauf der Yonne als neutralen Ort und hatte in der Mitte Schranken errichtet, zwischen denen verhandelt werden sollte. Innerhalb dieser Barrieren griffen der Thronfolger und einige seiner Berater den Herzog von Burgund nach kurzem Wortwechsel an und erschlugen ihn mit Äxten. Der Vorgang ist im einzelnen widersprüchlich überliefert, denn Karl berief sich auf Notwehr nach spontan aufgeflammtem Streit, während die burgundische Seite sogleich ein sorgfältig geplantes Attentat unterstellte. Diese Version dürfte richtig sein, denn Karl gab seinen Mittätern hohe Pensionen und behielt sie in seinem Dienst. Eines der Motive wird Rache für den Mord am Herzog von Orléans gewesen sein, denn auch die Haltung des burgundischen Hofes in den nächsten Jahren zeigt, wie Streben nach Vergeltung geradezu Staatsräson werden konnte. Im übrigen war die Versuchung jederzeit groß, den innerfranzösischen Krieg durch Ermordung des gegnerischen Parteiführers zu beenden, und besonders die Anhänger des Thronfolgers rechneten für den Fall eines Sieges der Bourguignons und der Königin Isabeau mit
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