Der Hurenkiller - Teil 1
Tagen schwarz wurde, hatte Wegner sich breitschlagen lassen und war
zum Arzt gegangen.
Er
konnte Vera schon von Weitem sehen. Rex und sie saßen auf einer kleinen
Wolldecke und schienen beide interessiert die vorbeieilenden Passanten zu
beobachten. Der Schäferhund gehorchte mittlerweile auch Vera aufs Wort - hatte
sie also als Leittier akzeptiert. Wegner dachte ans Wochenende zurück. »Und was
für ein Tier ...«, dachte er und lachte dabei verschmitzt.
»Na ihr Zwei
- wie geht es euch?«
Vera
drehte sich lachend um und sprang auf. Rex, dieser niederträchtige Verräter,
ignorierte Wegner vollständig. Wahrscheinlich aber auch, weil eine
hochgewachsene Pudeldame vorbeistolzierte, deren Frauchen nicht weniger
arrogant wirkte, als ihr Köter. Wegner küsste sein Mädchen und zwickte ihr
kräftig in den Knackarsch.
»Aua ...
du verdammter Lustmolch«, beklagte sich Vera lachend, »du kannst wohl auch
nicht genug bekommen!«
»Das
hält nur zwanzig oder dreißig Jahre ... irgendwann hast du Ruhe.«
Jetzt
jaulte Rex und zitterte am ganzen Leib. Er wäre nur zu gern losgesprungen, um
die Pudeldame zu bespringen.
»Rex ...
Platz und bleib!«, Veras Befehle wirkten wie auf dem Kasernenhof. Der Hund
befolgte sie ohne Murren oder Knurren und begrüßte nun sogar Wegner zaghaft.
Was
folgte, waren ein paar traumhafte Stunden an der Alster. Als die Sonne träge
unterging und es langsam kühler wurde, lud Wegner sein Mädchen noch zum Essen
ein.
»Was
macht der dritte Hurenkiller«, wollte Vera wissen, nachdem der Kellner die
Getränke gebracht hatte.
Wegner
hatte ihr von der brenzligen Situation gar nichts erzählt, sonst könnte er sich
sicher noch heute Moralpredigten anhören. »Der liegt im Krankenhaus -
Kopfschuss.«
»Oh
Gott!« Vera wechselte spontan die Gesichtsfarbe.
»Eben
hat das Revier angerufen. Er kommt auf jeden Fall durch, meinen die Ärzte ...
was allerdings von seinem Verstand noch übrig ist, das weiß keiner.«
»Dann
ist das Morden ja nicht vorbei ...«
Wegner
schüttelte gedankenversunken den Kopf. »Wir werden auch den Mann dahinter
finden und es beenden - ganz sicher.«
Kapitel 31
Nur ein
paar Kilometer von unserem turtelnden Liebespaar entfernt stand Thomas Keller
im Kinderzimmer seiner kleinen Tochter. Sein Blick fiel auf die bunte Kommode,
die er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte und in der sie ihre kleinen »Schätze«
aufbewahrte. Oben drauf sah er die Fotos, welche in diesem Moment wie traurige
Meilensteine auf ihn wirkten. Da war Lauras dritter Geburtstag. Sie umklammerte
seinen Hals mit ihren dünnen Ärmchen und drücke ihm einen dicken Kuss auf. Das
zweite Bild zeigte die Beiden in Hagenbecks Tierpark, direkt am Affenhaus.
Laura hielt ein riesiges Eis in ihrer Hand und lachte übers ganze Gesicht.
Momente wie diese hatte es in all den Jahren viel zu selten gegeben. Als Marließ,
Lauras Mutter, plötzlich krank wurde, veränderte das fast alles, was vorher so
sicher und beruhigend gewirkt hatte. Drei Jahre Krankenhaus und am Ende dann
der plötzliche Tod seiner Frau hatten Thomas Keller verbittert.
Natürlich
hatte auch sein Job darunter gelitten. Als er, vor vier Monaten seine Kündigung
in den Händen hielt, da wunderte er sich nicht einmal mehr darüber.
»Tut mir
leid, Thomas ... aber wir haben lange genug Rücksicht geübt«, hatte sein Chef
ihm traurig mitgeteilt. Vergessen hatte er dabei anscheinend, dass es Thomas
Keller selbst gewesen war, der den größten Teil der Kunden in die kleine
Werbeagentur mitgebracht hatte.
Als
schon nach zwei oder drei Monaten dann das Geld knapp wurde, waren es in erster
Linie die Fragen seiner beiden Töchter, die ihn regelmäßig an den emotionalen
Abgrund führten. Laura war Acht. Sie konnte Thomas noch mit Märchengeschichten
beruhigen. In diesem Alter ist der Vati noch der Größte, ganz gleich ob er nun
arbeitslos und pleite ist, oder reicher Vorstandsvorsitzender eines
Dax-Konzerns.
Die
vierzehnjährige Lisa allerdings reagierte letzte Woche deutlich
verständnisloser, als Thomas ihr eröffnete, dass sie auf die Klassenfahrt wohl
verzichten müsse. In der Zeit danach hatten sie kaum ein Wort miteinander
gesprochen. Auch Thomas war sauer, denn er hatte auf ein wenig mehr Verständnis
gehofft.
Seine
geliebte Ehefrau war tot. Sich jemals wieder einer einer Anderen öffnen zu können,
das konnte Thomas sich nicht einmal vorstellen. Keine Kohle, keine Perspektive.
Zwei Kinder, die ihn mit mehr oder weniger großen
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