Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Innerstes.
    ›Verdeckte Induktion‹ lautete das Wort, und es war ziemlich ungenau – wie so viele Fachausdrücke.
    Um was es dabei ging, war, einen Menschen zu hypnotisieren, ohne daß er es überhaupt merkte, also um einen Trick, den auch Schaubudenhypnotiseure auf den Jahrmärkten vorführten. Im wesentlichen bestand er darin, die Aufmerksamkeit der Hypnotisierten so sehr abzulenken, daß er alles Gewohnte und damit auch sich selbst, die eigene Identität vergaß.
    Stefan hatte etwa dreißig Minuten mit Rosi gearbeitet.
    Nun schlief sie, tief und ruhig und ohne Anzeichen von Schmerzen. Er klopfte leicht an ihre Wange, strich ihr Kissen glatt und legte noch einmal die Hand auf ihre feucht-kühle Stirn.
    Dann schloß er leise die Tür.
    Er wollte gerade in den ersten Stock hinaufgehen, als sich in der Eingangstür der Schlüssel drehte. Stefan ging hin und öffnete selbst.
    Die Frau, die vor ihm stand, trug einen dunkelgrauen Regenmantel. Die hochgeschlagene Kapuze umrahmte ein energisches knochiges Gesicht, aus dem ihn zwei wachsame blaue Augen ansahen. Sie mochte an die fünfzig sein. In der rechten Hand trug sie einen grünen Plastikbehälter: Caritas Oberhausen stand in weißen Buchstaben darauf.
    »Sie sind Schwester Berta, nicht wahr?«
    Sie nickte nur, trat ein, zog den Mantel aus und hängte ihn sorgsam auf einen Bügel. Sie war ziemlich groß, und als sie ihre Regenverpackung los war, sah er, daß sie unter dem Mantel nicht etwa Schwesterntracht trug, sondern Jeans, Pulli und eine Art Wanderschuhe mit dicken Sohlen. Sie drehte sich um und leistete sich die Andeutung eines Lächelns. »Der Steffen, was? Zu Ihnen muß man ja Doktor sagen.«
    »Bleiben Sie bei Steffen.«
    »Was macht sie?«
    »Sie schläft.«
    Bertas Augen waren plötzlich nicht mehr schmal. »Schläft? Wie denn? Sie hat noch gar nichts gegessen?«
    »Trotzdem.«
    »Das geht doch gar nicht. Ich meine, sie kann dieses Zeug doch nicht mit leerem Magen …«
    »Das Dipidolor hat sie nicht genommen, Schwester Berta.«
    »Ja – und die Schmerzen?«
    »Hat sie nicht.«
    »Nicht? Wie denn?«
    Er bückte sich, nahm den grünen Essensbehälter und trug ihn in die Küche. Dort stellte er ihn auf den Tisch, zog einen Stuhl heran und drückte Berta darauf nieder.
    Er setzte sich auf die Ecke des Küchentisches, um mit seiner Standardeinführung über hypnotische Schmerzbekämpfung zu beginnen, stellte aber sofort zu seiner eigenen Überraschung fest, daß er sich das ersparen konnte. Schwester Berta wußte Bescheid. Im Caritas-Krankenhaus waren bereits Geburten unter hypnotischer Anästhesie durchgeführt worden.
    »Aber das sind Geburten, Steffen. Nich' so was. Das kann doch nich' anhalten.«
    »Kann schon …« erwiderte er. »Muß nicht, aber kann. Wenn die Schmerzen wieder schlimm werden sollten, können Sie ihr ja immer noch das Dipidolor geben. Aber das Zeug bringt sie um. Jetzt wollen wir es mal so versuchen.«
    »Wie lange?«
    Das genau war die Frage. »Solange sie es braucht.«
    »Was heißt das?«
    Er schwieg. Sie sahen sich an. Sie wußten beide, was es hieß. Zwei bis drei Wochen, hatte Krüger gesagt. Stefan schien es eine ziemlich günstige Prognose.
    Er wandte den Blick zu dem grünen Plastikbehälter hin.
    »Hühnerfrikassee«, sagte Berta. »Ein ganz leichtes. Und Reis. Vielleicht schafft sie das.«
    Was sollte er antworten? Sie hatte die Antwort ja schon gegeben: Vielleicht …
    »Wissen Sie, Herr Doktor …«
    »Lassen Sie bloß den Doktor weg, Berta.«
    Es war das zweite Mal, daß sie lächelte, und dieses Lächeln war anders als das, das sie sich kurz an der Haustür abgerungen hatte. Es war warmherzig, sanft und sehr, sehr nachdenklich.
    »Sie redet so viel von Ihnen.«
    Er schwieg und spürte den Druck hinter den Lidern.
    »Und so kenne ich Sie eigentlich schon lange, Steffen. Begegnet sind wir uns ja nie, aber ich dachte immer an den Jungen drüben im Wohnzimmer, den mit dem Fußball.«
    »Den gibt es schon lange nicht mehr, Berta.«
    »Trotzdem …« Sie ließ das Wort einfach so stehen – ohne eine Erklärung. »Haben Sie denn schon was gegessen?« fragte sie dann.
    »Mir ist nicht nach essen.«
    »Kann ich mir denken. Versuchen Sie es trotzdem … Ich mach hier 'n bißchen die Bude sauber, dann les ich was … Da steh'n Haufen schöner Bücher rum. Die haben Sie ihr geschickt, hat sie gesagt.«
    Stefan nickte, legte die Hand auf Bertas Schulter, sagte danke und ging.
    Die Straßendurchreiche der Kneipe befand sich noch am

Weitere Kostenlose Bücher