Der Hypnosearzt
abfüllen. In Kübeln stand dieses grauenhafte Zeug herum. Er hatte es auch schon beinahe geschafft – aber dann war's vorbei. Dann hat er mich nämlich gebissen.«
»Gebissen?«
»Ja, gebissen! Hab ich dir das nie erzählt? In die Schulter.«
»So ganz leicht, ganz zart. Ein Liebesbiß!« rief Walter Kunze. »Aber Hella wollte nichts mehr von mir wissen. Ein Mann, der beißt! Übrigens: Ich hab viel zuviel von diesen blöden Koteletts eingekauft. Jetzt fällt auch noch Stefan aus … Wieso eigentlich?«
Stefan sei nicht nur zu einem Unfall gerufen worden, erklärte Christa, als ob das nicht für einen freien Samstagnachmittag reichte, habe er sich auch noch ein Unfallopfer auf den Hals geladen: »Diesen Menschen vom letzten Freitag. Der Mann im Jaguar, dessen Chauffeur sie erschossen haben. Und ich bin euch schon sehr dankbar, daß ihr mir den Besuch durch eure Hammelkoteletts erspart. Wirklich!«
»Lindner?« Walter hatte die Grillgabel hochgerissen und starrte Christa durch den Rauch hindurch an.
»Richtig, Lindner.« Sie beschloß, die Geschichte mit dem Koffer zu unterschlagen.
»Da habe ich doch gerade einen Bericht gelesen. Hat denn Stefan überhaupt 'ne Ahnung, mit wem er es da zu tun hat? Moment mal …«
Walter Kunze legte die Grillgabel weg, rannte durch die geöffnete Terrassentür in sein Arbeitszimmer, kam sofort zurück und schüttelte den Kopf. »Nee, tut mir leid, der Artikel liegt bei mir im Büro … Jedenfalls stand er im ›Euro heute‹. Das ist so ein Börsendienst, den mir Schürmann immer zuschiebt … Du weißt doch, Hella, der aus dem Marketing, unser Aktienakrobat.«
Hella nickte.
»Schon die Überschrift: ›Der Regenbogen-Mann‹. Ziemlich blödsinniger Titel. Gemeint ist, daß Lindners Geschäfte über die ganze Farbpalette gehen: von schwarz bis rosa und dunkelrot … Die haben ihn in diesem Bericht ganz schön in die Mangel genommen: Spekulant, Spezialist für illegalen Kapitalexport aus dem Osten. Überhaupt scheinen die Russen die großen Kumpels zu sein, von Holzlieferungen über Erdgas bis zu Waffen. Und dann Lindners Immobilien-Deals. Die laufen vor allem in Frankreich … Aber immer steckt russisches Kapital dahinter. Der Bursche hat die besten Beziehungen nach Moskau. Behaupten die Presseleute wenigstens.«
»Hör auf«, sagte Hella. »Herrgott, riechst du's denn nicht: Deine Koteletts verbrennen!«
Walter rannte los. Eine Flamme schoß aus dem Rauch, Wasser zischte, doch er ließ sich dadurch nicht abhalten, weiter zu berichten: »Die absolute Mehrzweck-Kanone, dieser Lindner. Nichts, das der nicht anfaßt. Vor zehn Jahren hätten sie ihn beinahe gehabt, schreibt ›Euro heute‹. Er bekam ein Verfahren an den Hals. Aber auch da hat er sich irgendwie wieder rausgewurstelt.«
»Ich habe Hunger, Walter«, sagte Hella.
»Damals ging's um Zentrifugen. Eine ganze Fuhre sollte nach Teheran.«
»Zentrifugen – mein Gott …«
»Spezialzentrifugen, Hella! Um Uran anzureichern und es für Waffen verwendbar zu machen. Atomwaffen, verstehst du?«
Christa sah zu, wie Walter schwärzliche Koteletts auf einen Teller häufte. Sie versuchte, sich einen Reim auf seine Erzählung zu machen, doch sie fühlte nichts als eine Art dumpfer Schwäche.
»Na gut, wenn ich nach Hause komme, wird er wohl weg sein.«
»Ich kann dir ja mein Mückenspray mitgeben, Christinchen«, sagte Hella. »Ich hab mir gerade eine neue Magnumdose gekauft …«
Stefan Bergmanns Wagen rollte den Hang hinab.
Die Schatten waren länger geworden, der Himmel war dunkler, und neben ihm saß Lindner. In großzügigen Serpentinen führte die Bundesstraße ins Tal hinunter, vorbei an den ersten Wiesen, die den Wald ablösten, den Schrebergärten, vorbei auch an der Burgach-Klause, dem Lokal des Schützenvereins. Schon waren die dunklen Dächer des Altenheims zu sehen – und endlich Burgach, dort im Tal …
»Schöne Gegend, wirklich, ein hübscher Ort«, sagte Lindner.
»Na ja.«
»Doch. Wirklich wunderschön. Deutschland ist überhaupt ein schönes Land. Es hat nur einen Riesennachteil: das Klima.«
Bergmann schaltete die Scheinwerfer ein und schaltete sie wieder ab. Es war noch zu früh.
»Bei diesem ewigen Regen, Doktor, kann es doch niemanden wundern, daß die Leute geradezu verrückt sind, in die Sonne zu kommen. Italien, Mallorca – Mallorca vor allem … Dann Südfrankreich. Na, Südfrankreich ist bei uns in letzter Zeit aus der Mode gekommen. Ich versuche gerade, dies ein wenig zu
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