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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und unwirklich, und seine Aufgabe in diesem Theater war nicht nur die des Intendanten. Er hatte auch den Part des Stückeschreibers, des Dramaturgen, sogar des Bühnenbildners, der die Umgebung und Atmosphäre herbeizaubern mußte, die für den Erfolg so ausschlaggebend war.
    Annemie Markwart befand sich in tiefer Trance.
    Stefan aber baute Kulissen. Ein prächtiger Zirkus sollte entstehen, zumindest ein Zirkus, in dem sich die unglaublichsten Dinge bestaunen ließen, in dem man sich aber auch wohl fühlen würde.
    »All diese Lichter und Scheinwerfer, Annemie! Die roten Polster, sind sie nicht wunderschön? Und es sitzt sich so gut darauf. Du kannst die Beine ausstrecken … Du bist mit einer Freundin gekommen? Wie heißt sie noch?«
    »Liesel.«
    Ihre Stimme war klar und deutlich, die Hände blieben ruhig.
    »Ja, richtig, Liesel! Das hab ich tatsächlich vergessen.«
    Sie schüttelte empört den Kopf.
    Sehr gut, dachte er und fuhr fort: »Die Sessel mit den roten Polstern haben nur Leute mit Ehrenkarten … Die sitzen nämlich ganz vorn an der Manege. Da fühlt man sich richtig wohl, nicht? Und genießt … Vor allem, daß man alles so genau aus der Nähe sehen kann. Die Arbeiter in ihren schönen Uniformen, die Tiere, die Artisten – einfach alles …«
    Sie nickte und lächelte selig.
    »Und die Clowns sind auch noch da.«
    »Die waren komisch«, lächelte sie. »Die Clowns.«
    »Das sind sie noch immer. Da lacht man sich kaputt, nicht? Wie bei dem Kleinen hinten die Hose platzte und plötzlich Rauch und Feuer rauskamen …«
    Sie kicherte. »Es war kein Feuer, nur Rauch.«
    Ihre Stimme war die eines Kindes. Sie war jetzt neun Jahre alt.
    »Und all die Leute, Annemie. Lauter Kinder. Wo du hinsiehst, Kinder. Hinter dir, rechts, links und vor dir, bis ganz nach oben. Ja, und dann die Masten. Wie hoch die sind! Die Masten, die das Zelt tragen, welche Farbe haben sie eigentlich? Ich kann's nicht sehen.«
    »Blau …«
    Stefan lehnte sich etwas zurück. Es klappte.
    Er war sich nicht so sicher gewesen, als er mit der Einleitung begonnen hatte. Welchen Zirkus sollte erwählen? Er hatte sich langsam vorgetastet. Ja, sie kannte einen Zirkus, doch ob es nun eine winzige Wanderklitsche war oder ein großes Unternehmen, war nicht von ihr zu erfahren gewesen. Bergmann hatte auf den großen Zirkus gesetzt – wieso auch nicht? Er konnte das Zelt in Annemies Phantasie riesengroß entwickeln, es würde prächtig, aufregend und fabelhaft gebaut sein.
    »Du, Annemie, da bringen sie lauter Eisenteile herein. Wie die klappern.«
    Sie klatschte in die Hände.
    »Die sind für die Käfige, weißt du? Und jetzt ziehen sie die Gitter hoch. Das wird ein runder Käfig um die ganze Manege herum. Und, Annemie, der Geruch! Riechst du ihn? Von den Löwen kommt der. Da, durch den Tunnel kommen sie schon herein. Was für Kerle! Riesig sind die!«
    Sie hielt die Augen geschlossen, unter der Haut der Lider bewegten sich die Augäpfel. Sie atmete schneller. Sie sah die Löwen …
    Stefan senkte die Stimme, legte alle Eindringlichkeit hinein, zu der er fähig war, und zeichnete weiter an seinem Bild. Er wußte, es würde ihr nicht gefallen.
    Doch auf das Finale kam es an. Ja, das Finale mußte sie lieben.
    »Die Löwen sind erregt, Annemie. Sie sitzen nicht auf den Podesten, sie laufen herum, fletschen die Zähne, sie knurren, sie halten die Nase hoch, sie schnuppern. Und Löwen können viel besser riechen als wir. Weißt du, was sie riechen? Soll ich es dir sagen? Den Feind riechen sie.«
    Ihre Schultern verspannten sich. Das Gesicht verriet nichts als ängstliche Erwartung.
    »Der Feind, der sie immer gequält hat, dieser schreckliche Mann mit dem dicken Bauch, dieser nackte Mann mit dem dicken Bauch, der nackte Mann, der deiner Mutter so weh getan hat. Annemie, hörst du mich? Riechst du die Löwen? Ja … siehst du sie?«
    »Die Löwen … die Löwen …« Es war nur ein Stammeln. Annemies Lider zuckten noch heftiger als zuvor.
    »Oskar«, sagte sie plötzlich.
    Sie sprach den Namen laut und klar: Oskar.
    »Da hast du ihn. Durch denselben Tunnel, durch den die Löwen hereinkamen, kommt auch er. Er kann nicht gehen, sieh doch, er muß kriechen. Und er hat keine Brille auf, die hat er weggelegt so wie damals, die braucht er nicht. Er fühlt sich ja so stark, Annemie. Er ist so böse. Sieh mal seine Zähne, sieh mal das Gesicht. Er will an die Löwin ran, Annemie. Aber die ist ebenfalls böse. Und wie! Sieh doch: Sie ziehen den Schieber hoch,

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