Der Hypnosearzt
wir genauso gerne.«
»Meine Frau erzählte mir etwas von einem Artikel, der in irgendeinem Wirtschaftsblättchen erschienen ist. ›Der Regenbogenmann‹ hieß der Titel. Und darin war die Rede, daß Lindner seit langem mit ziemlich dubiosen Geschäften jongliere. Selbst irgendwelche Turbinen zur Uran-Anreicherung soll er …«
»Das ist Schnee von gestern, Herr Doktor.«
»Und wie sieht der von heute aus?«
»Schwer zu sagen. Geld. Viel Geld …«
»Aus Rußland?«
Oster nickte. »Aus ganz trüben Quellen.«
»Und was ist mit diesen Immobilien in Südfrankreich?«
»Das ist es ja … Lindner hat da in der Nähe von Toulon ein ganz gewaltiges Projekt angeleiert. Und wie es scheint, sind seine Partner nicht die saubersten. Zumindest waschen dort noch viele ihre Wäsche …«
Das war es dann. Die Beamten verabschiedeten sich und gingen.
Es war eine Dermatitis, und zwar eine ziemlich üble, wie Christa Bergmann feststellte. Die Entzündungsstellen zogen sich von der Leistengegend bis zum rechten Hüftknochen, die Haut war übersät von winzigen roten Kratern, Pusteln, Schorf und eingetrockneter Lymphflüssigkeit. Hier wüteten ganze Bakterienstämme, und Eddy Hufnagel hatte sich nicht nur alle Mühe gegeben, sie einzufangen, er sorgte auch dafür, daß es ihnen gutging.
»Halt mal den Wasserstoff bereit, Marga, den brauchen wir gleich auch. Ja, und 'ne Pinzette, bitte …«
Christa warf Eddy einen vorwurfsvollen Blick zu. Da lag er nun auf dem Behandlungstisch, dürr und klapprig, seine Nase bog sich wie eine Sichel über dem schütteren, gelblichweißen Bart, und selbst auf der Glatze, die ein gleichfalls gelblichweißer Haarkranz umrahmte, konnte man Pusteln entdecken.
Dazu noch der Geruch …
»Eddy, du stinkst. Ich weiß überhaupt nicht, wieso ich dich in diesem Zustand behandle. Ich hätte dich vorher unter die Dusche stellen müssen.«
»Find ich ja auch, Frau Doktor.«
»Was?«
»Darauf habe ich ja gewartet. Das haben Sie doch das letzte Mal auch gemacht.«
Das letzte Mal? Christa stöhnte.
Eddy war ein regelmäßiger Kunde in der Praxis, und wenn er kam, gab's zu tun: Eine Gastritis mußte behandelt, ein Lungenspitzeninfekt auskuriert werden, oder die Zirrhose hatte weitere Fortschritte gemacht … Christa tat ihre Pflicht. Die tat sie in Gedanken an Elsbeth, Eddys Frau, die beste Putzfrau, die sie je gehabt hatte. Eine wahre Perle war ›Elsi‹ gewesen. Nach ihrem Tod ging's mit Eddy prompt bergab. Steil. Sehr steil …
Christa nahm die Pinzette, löste Schorf ab, verteilte Wasserstoff und stellte sich taub gegen das schreckliche Stöhnen.
»Daran bist du schon selber schuld, Eddy.«
»Weiß ich doch, Frau Doktor.«
Sie tupfte stumm und tapfer weiter. Eine ganze Schüssel voll benutzter Spatel und Watte stand neben ihr. Eddys Kleider steckten in einem blauen Plastiksack und würden von der Reinigung abgeholt werden. Schnellservice. In der Zwischenzeit bekam er Patientenbekleidung und eine Suppe.
Noch was? Nein, mehr kannst du da nicht tun. Eddy lebte in einer selbstgebastelten Blechhütte am Rand eines Schrottplatzes in der Nähe von Fulda, nannte sich ›Nachtwächter‹, weil ihm der Schrottplatzbesitzer zugestanden hatte, er könne bleiben, wenn er ein bißchen aufpasse. Aber er war nun mal ein ›Berber‹, ein Landstreicher geworden, doch das Wort kannten sie in Burgach nicht. Hier nannten sie ihn ›Penner-Eddy‹ und wichen ihm vorsichtig aus.
»Nimmst du wenigstens deine Vitamine, Eddy? Hast du noch welche in der Packung, die ich dir das letzte Mal mitgegeben habe?«
»Nee. Hab ich alle gegessen«, versicherte Eddy. In Wirklichkeit hatte er sie gegen eine Flasche Korn getauscht.
»Dann kriegst du wieder neue.«
»Frau Doktor, wirklich … Eine Heilige sind Sie! Das hab ich alles gar nicht verdient.«
Wieder schüttelte Christa den Kopf. Und wieder löste sie eine Kruste ab. Wirklich übel. Es war wohl besser, Jürgen, das Bruderherz anzurufen. In seiner feinen Dermatologie-Praxis in Hannover würde er solche Fälle zwar nie zu Gesicht bekommen, aber vielleicht war ein neues polyvalentes Antibiotikum auf den Markt gekommen, das man in diesem Fall anwenden konnte.
Christa war aufgestanden, um zum Telefon zu gehen, als Stefan hereinkam.
»O Eddy! Wie geht's?«
»Sehen Sie doch, Herr Doktor.« Dort, wo man unter dem gelblichen Gestrüpp den Mund vermuten konnte, entstand Bewegung. »Ich … ich mach alles verkehrt.«
Stefan ging an den Behandlungstisch, legte Eddy die
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